Süßigkeiten - wie widerstehen?
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6 Minuten
Astrid Kurbjuweit

Eigentlich hatte ich gedacht, es würde ausreichen, mit einem Artikel an Sabienes Blogparade teilzunehmen. Doch dann kam das Thema der zweiten Woche. Und obwohl ich über dieses Thema schon mehrfach geschrieben habe, unter anderem hier, hier und hier, haben Sabienes Fragen doch gezeigt, dass es da noch mehr zu sagen gibt. Also ist auch dieser Artikel Teilnehmer der Blogparade.

Süßes stört die Abnehmbemühungen

Sabienes fragt die Teilnehmer der Blogparade, ob sie gerne Süßes mögen, ob sich sich Gedanken über ihren Zuckerkonsum machen oder vielleicht aus gesundheitlichen Gründen machen müssen, ob sie Regeln für den Umgang mit den süßen Sachen haben, ob sie alternative Süßungsmittel wie Stevia oder Süßstoffe verwenden. Ob die Antworten auf diese Fragen für Erwachsene und Kinder unterschiedlich ausfallen. Ich werde die Fragen auch diesmal ein bisschen modifizieren und in dem Sinne beantworten, wie man es als abnehmwilliger Mensch damit halten sollte oder könnte.

Süßes hat viele Kalorien. Von daher kann man davon ausgehen, dass jeder der abnehmen möchte, sich Gedanken über seinen Zuckerkonsum macht. Auch wenn Süßes heutzutage nicht zwangsläufig mit Zucker gesüßt sein muss, so ist es doch so, dass die meisten Menschen Süßigkeiten aus industrieller Produktion konsumieren, und die sind im Allgemeinen zuckersüß, oder auch Glukosesirup-süß, was im Grunde aufs selbe hinausläuft.

Viele Übergewichtige können sich nicht vorstellen, auf den süßen Geschmack zu verzichten. Folgerichtig gehen die Überlegungen auch in die Richtung, wie man kalorienfrei süßen könnte. Lange Zeit waren hier die künstlichen Süßstoffe das Mittel der Wahl, das von vielen Übergewichtigen in großen Mengen konsumiert wurde. Trotz der verbreiteten Beobachtung, dass selbst konsequentes Ersetzen von Zucker durch Süßstoffe nicht zu einer Gewichtsabnahme führt, bleibt die Idee in den Köpfen: Wer abnehmen möchte, darf keinen Zucker essen. Darf aber süß essen.

Diese Idee erlebt zur Zeit wieder eine Renaissance. Mit der Verfügbarkeit von Stevia als Süßungsmittel werden die alten Träume hoffnungsvoll wieder vorgekramt. So viel Süßes essen wie man möchte, solange es eben nur mit Stevia, nicht mit Zucker gesüßt ist. Auch wenn Stevia noch nicht lange genug allgemein verfügbar ist, um definitive Aussagen treffen zu können, so kann man doch stark vermuten, dass das Ergebnis dasselbe sein wird wie bei den künstlichen Süßstoffen: Auch Stevia wird vermutlich nicht schlank machen.

Diese Vermutung hat mehrere Gründe. Zum Einen sind süße Sachen nicht nur zuckersüß, sondern sehr oft auch stark fetthaltig. Von Mehl, Schokolade, Nüssen und anderen kalorienreichen Zutaten ganz zu schweigen. Nur den Zucker zu ersetzen, macht aus Kalorienbomben noch keine gesunden Leckereien, die man bedenkenlos in beliebiger Menge konsumieren kann.

Und, Zucker löst im Gehirn eine Belohnungsfunktion aus, die zwar auch durch andere Kohlenhydrate (und viele ganz andere Dinge und Ereignisse) ausgelöst werden kann, aber eben nicht durch Süßstoffe oder alternative, kalorienfreie Süßungsmittel. Wer nach dieser Belohnung strebt, wird sich nicht mit kalorienfreier Süße überlisten können. Es funktioniert nicht, das Entscheidende fehlt.

Der alternative Ansatz: Sich das Süße abgewöhnen

Der Denkansatz, weiterhin Süßes zu essen, nur eben auf kalorienfreie Weise zu süßen, hat ja etwas Bequemes. Man muss im Grunde nichts ändern, kann so weitermachen wie bisher. Die Beobachtung, dass sich daraufhin auch tatsächlich nichts ändert, ist also nur folgerichtig. Denn auch wenn es nicht das ist, was sich die meisten wünschen, so gilt doch, dass man etwas anders machen muss als bisher, wenn man möchte, dass sich etwas ändert.

Und man kann etwas anders machen. Man kann sich die Vorliebe für das Süße tatsächlich abgewöhnen. So, dass man es nicht mehr so gerne mag. So, dass man weniger stark gesüßte Speisen bevorzugt, dass man es auch nicht mehr so oft braucht, dass man in der Lage ist, es zu besonderen Gelegenheiten als etwas ganz Besonderes zu genießen, statt es im Alltag ständig zu brauchen. So, dass der Verzicht zwar Fakt wird, aber nicht mehr als schmerzhaft empfunden wird. Man kann das tatsächlich lernen.

Und dann gilt das Gegenteil von dem, was bisher unkritisch als wahr angenommen wurde: Man darf Zucker (in Maßen) essen, nur mit dem süßen Geschmack wird man dann ganz von alleine zurückhaltend umgehen.

Gesundheitliche Implikationen

Ein hoher Zuckerkonsum hat Auswirkungen auf das Wohlbefinden, manchmal auch auf die Gesundheit. Wer es schafft, sich das Süße abzugewöhnen, der tut sich also wirklich etwas Gutes. Für manche, etwa für Diabetiker, ist das absolut notwendig, aber auch alle anderen können ihr Diabetesrisiko ebenso wie das für einige andere Krankheiten durch Reduktion des Zuckerkonsums senken.

Wer viel Zucker und viele Süßigkeiten isst, ernährt sich zwangsläufig nicht besonders gesund. Dadurch kann es zu einer ganzen Reihe weiterer gesundheitlicher Einschränkungen kommen, die aber häufig nicht direkt im Zusammenhang mit dem Zuckerkonsum gesehen werden.

In jedem Fall leidet das Wohlbefinden unter einem hohen Zuckerkonsum. Der Blutzuckerspiegel fährt Achterbahn, das ist enorm anstrengend, auch wenn man das erst dann merkt, wenn man es mal anders macht. Die Gier nach dem nächsten süßen Kick lenkt die Aufmerksamkeit unwillkürlich immer wieder auf alles, was süß ist, man kann nicht mehr wirklich frei entscheiden, was man essen, woran man denken möchte. Ein hoher Zuckerkonsum fördert Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme und schlechte Laune. Auch wenn das alles natürlich auch andere Gründe haben kann.

Es ist also in jedem Fall eine gute Idee, den Zuckerkonsum zu beschränken. Damit das ohne schmerzhaften Verzicht möglich ist, sollte man sich die Vorliebe für das Süße abgewöhnen. Das ist möglich und in jedem Fall besser, als nur den Zucker durch alternative Süßungsmittel zu ersetzen oder durch eiserne Disziplin zu verzichten.

Zucker abgewöhnen

Um sich das Süße abzugewöhnen, ist es tatsächlich sinnvoll, sich ein paar Regeln aufzustellen. Wie die genau aussehen, ist abhängig von den persönlichen Vorlieben und Lebensumständen, sie sollten nur beinhalten, dass Süßes nicht zu jeder sich bietenden Gelegenheit gegessen werden sollte, sondern eben nur in bestimmten Situationen.

Die Gier auf Süßes bekommt man am besten in den Griff, wenn man sich allmählich von ihr verabschiedet. Wenn man Süßes genau wie anderes Essen wirklich genießt und schön langsam in Ruhe isst, dann braucht man schonmal weniger davon, ist eher zufrieden. Das reduziert den Bedarf schonmal.

Dann hilft es, weniger industriell hergestellte Süßigkeiten zu essen, stattdessen selbst zu kochen und zu backen. Zum einen braucht das seine Zeit, während der man sich nochmal überlegen kann, ob man das jetzt wirklich braucht. Zum anderen weiß man, was drin ist, weil man es selbst hineingetan hat. Dadurch bekommt man ein ganz neues Gefühl für die Lebensmittel. Und schließlich kann man Zucker hineintun, soviel, wie man möchte. Wenn man sich dafür entscheidet, ein bisschen weniger zu nehmen als im Rezept steht, wird man feststellen, dass man den Unterschied garnicht bemerkt. Beim nächsten Mal kann man dann noch ein bisschen weniger nehmen. Undsoweiter.

Ein gutes Übungsobjekt ist der Kaffee oder Tee. Wenn man den süß bevorzugt, dann ist es eine gute Idee, tatsächlich Zucker zu nehmen, nicht den in Würfeln, sondern lose. Den kann man ganz individuell dosieren. Nach und nach kann man so immer weniger nehmen, ohne dass man das Gefühl bekommt, es würde nicht schmecken. Man passt sich an, wenn man die Dosis langsam verringert. Wenn man sich auf diese Weise an weniger süß gewöhnt, schmecken einem nach einiger Zeit die industriell hergestellten Süßigkeiten nicht mehr. Man wird erstaunt feststellen können, wie wirklich unangenehm süß die in Wirklichkeit sind. Wenn man das mal festgestellt hat, wird der Verzicht nicht mehr ernsthaft wehtun.

Dann ist der Weg frei für wirklichen Genuss. Dann kann man Süßes in der bevorzugten Süße selbst herstellen, auch unter Verwendung einer ganzen Reihe möglicher Süßungsmittel wie Honig, Ahornsirup, Birnendicksaft oder ähnlichen Produkten. Denn süß ist nicht einfach nur süß, es hat je nach Süßungsmittel auch noch einen Eigengeschmack. Wer den wieder entdeckt, kann Süßes genießen, ohne die Gefahr, zuviel davon zu essen.

Kinder und Süßes

Für Kinder und Eltern ist die Beschränkung bei den Süßigkeiten oft besonders schwer. Aber auch hier helfen ein paar Regeln. Süßes sollte nicht grundsätzlich verboten werden, das macht es nur unnötig interessant. Süßes sollte nicht als Belohnung verwendet werden, Verzichtenmüssen auf Süßes nicht als Strafe. Wenn es bei bestimmten Gelegenheiten Süßigkeiten gibt, bei anderen dagegen genauso selbstverständlich eben nicht, dann entwickeln sich daraus meistens gute Gewohnheiten. Bei den meisten Kindern reichen diese Regeln schon aus. Voraussetzung ist natürlich, dass immer genügend „richtiges“ Essen zur Verfügung steht.

Schwieriger wird es bei übergewichtigen Kindern, die Süßes und fast food als einzige Annehmlichkeiten im ansonsten von Frust und Unannehmlichkeiten geprägten Leben haben. Es hilft hier weniger, die süßen Sachen wegzunehmen, es ist vielmehr notwendig, das hinzuzufügen, was fehlt. Aufmerksamkeit, Beachtung, Freude und Erfolgserlebnisse. Oder eben das, was dem jeweiligen Kind fehlt.

Höchstwahrscheinlich wird der Denkansatz, Zucker durch kalorienfreie Süßungsmittel zu ersetzen, bei Kindern wenig Anklang finden, denn sie haben oft ganz bestimmte Vorstellungen, es müssen ganz bestimmte Produkte sein. Die Auswahl ist oft durch die Gruppe der Gleichaltrigen, der Mitschüler und Freunde mitbestimmt.

Für alle, egal welchen Alters, gilt, dass es extrem schwer ist, das Süße einfach ersatzlos zu streichen. Viel besser ist, sich klar darüber zu werden, welche Rolle die süßen Sachen eigentlich im Leben spielen und dann etwas anderes zu finden, was diese Rolle übernehmen kann. Wer Süßes isst, weil er es nicht hinbekommt, sich ein vernünftiges Essen zu kochen, sollte daran arbeiten, das zu ändern. Wer Süßes isst, weil er sich einsam, gelangweilt oder gestresst fühlt, der wird diese Gefühle nicht besser im Griff haben, wenn er die süßen Sachen weglässt. Man muss sich also etwas überlegen, wie man mit den jeweiligen Situationen umgehen möchte. Einfach nur etwas weglassen, funktioniert nicht. Auch nicht bei Süßigkeiten.

6 Kommentare

  1. Liebe Astrid,
    Vielen Dank für diesen wirklich ausführlichen und profunden Beitrag. Ich werde ihn noch ein paar Mal lesen müssen.
    Ich halte diese ganzen Süßungsmittel für den Hauptgrund des allgemeinen Übergewichts, gleich nach den Fertigprodukten, egal welcher Art, die ja alle Zucker beinhalten.
    LG
    Sabienes

  2. Hallo Sabienes,

    es freut mich, dass dir mein Beitrag gefällt! Ich bin nicht ganz sicher, ob die süßen Sachen der alleinige Hauptgrund für das grassierende Übergewicht sind, denn es gibt da leider noch ein paar andere Kandidaten. Mit Sicherheit tragen die Süßigkeiten, und die in allen möglichen Gerichten versteckten Zuckerarten einen großen Teil dazu bei.

  3. Schön ausgeführt, wie einfach sich das „Wunder Mensch“ doch die Sache mit dem Abnehmen vorstellt. Mal eben den ach so bösen Zucker durch Stevia ersetzt, die Süße bleibt gleich und dann ist man am Boden zerstört, wenn dieses Wunder-Stevia trotzdem keinen Erfolg zeigt.

    Will man wirklich erfolgreich abnehmen, so gilt es, sich gewisse Dinge ab- bzw. umzugewöhnen. Ich möchte abnehmen, aber gänzlich auf was Süßes zu verzichten, das wir niemals passieren. Ich versuche, mir den übermäßigen Zuckerkonsum zu reduzieren, mir jedoch trotzdem ab und an ein Stückchen Schoki oder ein Küchlein zu gönnen. Nur indem man statt Zucker Stevia (oder was auch immer) verwendet, wird man nicht abnehmen!

  4. Sehr ausführlich, gefällt mir. Es muss einfach klick machen, alternative Süßungsmittel wecken den Eindruck das man abnehemn will ohne etwas ändern zu wollen. Das kann net klappen.

    LG Mel

  5. vielen Dank für Deinen ausführlichen Artikel. 🙂
    Es ist eben alles eine Einstellungssache und mit Disziplin verbunden. 🙂

    Mal nebenbei:
    eine Ärztin hatte einer Patientin geraten, anstatt Gummibärchen lieber Schokolade zu essen.
    Auch wenn das biologisch gesehen den richtigen Anschein hat, so ist daraus ein Freifahrtschein zum Schokolade-Essen geworden.
    Ob das der Sinn der Sache war?
    LG Timm

    • Ich denke, mit der Schokolade hat sich wohl jemand etwas missverständlich ausgedrückt. Schokolade ohne Ende macht nicht schlank, das ist leider ganz eindeutig Fakt.

      Bei Bedarf an Süßem macht es aber Sinn, in sich hineinzuhören und dann genau das zu essen, wonach einem der Sinn steht. Wenn man eigentlich Schokolade will und aus Vernunftgründen dann doch lieber Gummibärchen nimmt, dann steigt das Risiko, dass man am Ende doch beides gegessen hat.

      Von daher, wenn süß, dann auch genau das richtige wählen, keine Kompromisse machen. Und dann ganz in Ruhe genießen, am besten richtig im Genuss schwelgen. Auf keinen Fall mit schlechtem Gewissen, vielleicht noch heimlich, und hektisch irgendwas reinschieben.

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Beitragsbild: photka/Shutterstock