Almased und co. – Warum Formuladiäten immer noch so verlockend sind

Formuladiät - das Pulver macht leider nicht wirklich schlank
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5 Minuten
Astrid Kurbjuweit

Angeregt durch einen Artikel des Rheumatologen möchte ich heute nochmal über Formuladiäten schreiben. Auch wenn ich das schonmal getan habe, auch wenn schon viele andere vor den Nachteilen dieser Diätform gewarnt haben. Almased, Yokebe, und alle anderen Diätpülverchen bleiben attraktiv. Jeder Abnehmwillige hat schonmal darüber nachgedacht, es mit dieser Methode zu versuchen, viele haben es probiert, gar nicht so wenige tun es immer wieder. Warum eigentlich? Haben die Leute immer noch nicht gemerkt, dass sie zwar abnehmen, aber hinterher wieder zunehmen?

Die Werbung für egal welches Pulver, egal welche Formuladiät verspricht immer das Gleiche: Schnelle Gewichtsreduktion ohne Nachteile, ohne Jo-Jo-Effekt, ohne Verzicht. Wer sich drauf einlässt, wer seine Mahlzeiten oder einige seiner Mahlzeiten durch die Shakes ersetzt, der nimmt tatsächlich ab. Vor allem am Anfang sind oft deutliche Gewichtsverluste zu verzeichnen. Das erklärt einen großen Teil der Attraktivität dieser Abnehmmethode.

Allerdings geht es so nicht weiter. Die übliche Erfahrung ist, dass die Abnahme nach einiger Zeit stagniert, dann stoppt und schließlich in einem Jo-Jo-Effekt wieder zunichte gemacht wird. Nach einiger Zeit wiegt man soviel wie vorher, oder sogar noch mehr. Trotzdem schon so viele Menschen diese Erfahrung gemacht haben, trotzdem inzwischen wirklich klar ist, dass diese Methode zwar für die schnelle, nicht jedoch für die dauerhafte Gewichtsreduktion geeignet ist, beginnen immer wieder neue Abnehmwillige guten Mutes damit, ihre Mahlzeiten durch Pulver und Shakes zu ersetzen, in der Hoffnung, diesmal wirklich schlank zu werden und zu bleiben. Schließlich verspricht die Werbung genau dies.

Allerdings ist Werbung ja inzwischen allgegenwärtig und im Allgemeinen haben wir uns dran gewöhnt, die Werbeaussagen nicht für bare Münze zu nehmen. Warum ist das bei den Pülverchen anders? Warum sind die so attraktiv?

Die Attraktivität der Formuladiäten hat mehrere Gründe, die ich hier mal kritisch betrachten möchte.

Gewichtsverlust versus Fettverlust

Wer abnehmen möchte, möchte bei genauer Betrachtung nicht einfach nur Gewicht, sondern vor allem Körperfett verlieren. Alle anderen Körperbestandteile, außer dem Körperfett, sollen nach Möglichkeit erhalten bleiben. Es ist nicht ganz einfach festzustellen, ob ein gemessener Gewichtsverlust auf den Verlust von Fett oder von sonstigen Körperbestandteilen zurückgeht. Aber mit ein wenig Überlegung kann man es eingrenzen. In einem Kilo Körperfett sind ungefähr 7000 Kalorien gespeichert, das ist eine Menge Energie, die erstmal verbraucht werden muss. Denn man kann sie nur verbrauchen, das ist die einzige Möglichkeit, das Fett zum Verschwinden zu bringen. Man kann das Fett nicht schmelzen oder sonstwie auflösen, das ist physikalisch unmöglich.

Bei einem angenommenen Energieverbrauch von 2000 Kalorien pro Tag kann man auch mit viel Sport kaum dahinkommen, ein Kilo Körperfett am Tag zum Verschwinden zu bringen. Als Untrainierter kann man vielleicht 400 Kalorien mit Sport verbrauchen, und auch das wird einem nicht jeden Tag gelingen. Selbst wenn man also überhaupt nichts mehr essen würde, und angenommen, der Körper würde darauf nicht mit einer Reduktion des Energieverbrauchs reagieren, würde es immer noch drei Tage dauern, bis das erste Kilo Fett verschwunden wäre. In der Praxis dauert es länger.

Der gemessene Gewichtsverlust bei Almased oder einer anderen Formuladiät ist vor allem zu Beginn sehr viel höher. Auch wenn das sehr motivierend wirkt, sollte man realistisch sein, das ist kein Verlust von Körperfett, sondern von fettfreier Körpermasse, genau das, was man eigentlich dringend vermeiden sollte.

Wenn man (fast) nichts mehr isst, dann leert sich der Verdauungstrakt. Schon sind die ersten zwei Kilo Gewicht weg, und man denkt, Wunder, was dieses Pulver bewirkt. Man sollte bedenken, dass dieses Gewicht sofort wieder da sein wird, wenn man wieder normal isst. Magen und Darm werden sich wieder füllen, das ist völlig natürlich und muss so sein. Am Körperfett ändert das ohnehin nicht das Geringste.

Wer sehr wenig Kalorien zu sich nimmt, verbraucht zunächst die Energie, die in den Glykogenspeichern enthalten ist. Glykogen ist die Speicherform der Kohlenhydrate, die in der Leber und in der Muskulatur zusammen mit Wasser gespeichert sind. Mit etwas Bewegung und wenig Essen kann man seine Glykogenspeicher an einem Tag leeren, das kann bis zu zwei Kilo Gewicht auf der Waage ausmachen. Dadurch hat man noch kein Gramm Fett verloren, und der Körper wird mit aller Macht danach streben, die Glykogenspeicher wieder zu füllen.

Wer statt normalem Essen Diätdrinks aus Pulver zu sich nimmt, nimmt auch sehr wenig Salz zu sich. Vermutlich wird sich der Wassergehalt des Körpers erstmal reduzieren. Dadurch verliert man nochmal Gewicht, was aber auch nicht von Dauer sein wird. Denn sowohl Salz als auch Wasser sind lebensnotwendige Bestandteile des Körpers, er wird danach streben, die wieder einzulagern.

Man kann also sehr viel Gewicht verlieren, ohne auch nur das geringste Fett abzubauen. Wer längere Zeit dabei bleibt, der wird, allen Versprechungen zum Trotz, auch noch Muskelmasse verlieren. Auch wenn der Gewichtsverlust motivierend wirkt, ist es nicht realistisch, zu glauben, dass einem das erhalten bleiben würde. Trotzdem sind Anwender der Pulverdiäten natürlich begeistert vom schnellen anfänglichen Gewichtsverlust und beginnen sofort mit Hochrechnungen. Wenn es in der Geschwindigkeit weitergehen würde, dann… Es ist Illusion, es wird nicht in der Geschwindigkeit weitergehen. Im Gegenteil, das schnell verlorene Gewicht wird wiederkommen, und das ist auch gut so, denn es ist lebensnotwendige fettfreie Körpermasse. Die Attraktivität der Pulver beruht also auf einer Illusion. Leider ist das nicht die einzige Illusion.

Attribution oder Ursachenzuschreibung

Menschen unterscheiden sich darin, was sie als Ursache für beobachtbare Ereignisse annehmen. Oft weiß man nicht wirklich, warum etwas geschieht, hat aber trotzdem eine Überzeugung, wie es dazu gekommen sein kann. Zum Beispiel kann man glauben, dass eine Gewichtsreduktion durch die eigene Anstrengung beim Abnehmen bewirkt wurde. Oder man kann glauben, dass das Pulver, das man eingenommen hat, diese Gewichtsreduktion bewirkt hat. Oder man kann glauben, dass es einfach Zufall war.

Wenn man später wieder zunimmt, kann man glauben, dass es eigenes Versagen ist. Oder man kann glauben, dass es eine Spätwirkung des vorher eingenommenen Pulvers ist. Oder man kann glauben, dass es Zufall ist.

In jedem Fall ist es nicht ganz einfach festzustellen, woran eine Gewichtsreduktion oder eine Gewichtszunahme denn nun wirklich liegt. Der Glaube, das was man meint, dass es die Ursache ist, hat aber erhebliche Auswirkungen.

Wer glaubt, dass er selbst bewirken kann, ob er ab- oder zunimmt, der wird sich anstrengen und es dadurch wahr machen. Wer dagegen glaubt, dass er selbst sowieso keinen Einfluss darauf hat, ob er ab- oder zunimmt, der wird wahrscheinlich alle Abnehmbemühungen nur eher halbherzig betreiben und dann tatsächlich keinen Erfolg haben. Das nennt man auch selbsterfüllende Prophezeiung. Viele Abnehmversuche scheitern genau deswegen, weil die Abnehmwilligen den Glauben daran verloren haben, selbst etwas bewirken zu können.

Wenn man nicht glaubt, selbst eine Gewichtsreduktion herbeiführen zu können, dann sind Mittel wie die Formuladiäten natürlich attraktiv, denn die versprechen, einem diese Aufgabe abzunehmen. Es ist allerdings eine Illusion, zu glauben, das Pulver könnte das leisten, was man sich selbst nicht zutraut.

Für die anhaltende Attraktivität der Formuladiäten ist vor allem eine Kombination dieser Überzeugungen verantwortlich. Viele Menschen schreiben die anfänglichen Abnehmerfolge dem Pulver zu. Sie glauben also nicht, dass es an ihrer eigenen Anstrengung liegt, wenn sie abnehmen, sondern sie glauben, dass es die Eigenschaften des Pulvers sind, die die Abnahme bewirken. Das ist eine externe Kontrollüberzeugung. Andere entscheiden (vermeintlich) darüber, ob der Erfolg eintritt. Wenn man nicht mehr daran glaubt, dass man selbst etwas bewirken kann, dann sind solche Methoden die einzigen, an deren Erfolg man noch glauben kann. Andere müssen möglich machen, was man selbst sich nicht mehr zutraut. Und es funktioniert ja tatsächlich, das Mittel wirkt. Zunächst jedenfalls.

Die nachfolgende Gewichtszunahme schreiben diese Menschen dagegen sich selber zu. Sie glauben also, dafür selbst verantwortlich zu sein, selbst etwas falsch gemacht zu haben. Der Misserfolg wird intern attribuiert, also dem eigenen Versagen zugeschrieben. Man selbst ist schuld am Misserfolg. Die Attraktivität des Pulvers ist dadurch natürlich ungebrochen, denn das hat ja gewirkt, nur man selbst hat versagt. Man muss es nur nochmal versuchen, diesmal mit mehr Disziplin. Die Überzeugung, selbst nichts Positives bewirken zu können, führt also dazu, dass eine unwirksame Methode wieder und wieder angewendet wird. Der unvermeidliche Misserfolg bestätigt dann wieder die ursprüngliche Überzeugung. Dieser Teufelskreis wird von den Herstellern und Verkäufern der Pulver natürlich noch gefördert, indem zum Beispiel gefordert wird, man müsste sich lebenslang von diesen Pulvern ernähren, was natürlich kein Mensch durchhält. Auch lapidare Forderungen, man müsste dann eben weniger essen, helfen ja nicht weiter, das wusste man ja schon vorher.

Es kann helfen, sich diese Mechanismen klarzumachen. Dann leidet die Attraktivität der Pulverdiäten (und anderer Abnehm-Wundermittel) ganz erheblich, denn dann versteht man, dass man sehr wohl selbst etwas bewirken kann. Dass man ohnehin nur dann abnehmen wird, wenn man sich selbst darum bemüht. Wenn man das dann tut, unter Zuhilfenahme einer langfristig wirksamen Abnehmmethode, dann wird auch die nachfolgende Gewichtszunahme ausfallen, so dass der Misserfolg, den man immer sich selbst zugeschrieben hatte, gar nicht mehr eintritt.

Man kann lernen, sich Erfolge wieder zuzutrauen. Dann wird man auch Erfolg haben. Und das Beste ist, dann wird man einen selbst erarbeiteten Erfolg haben, keinen, den einem irgendjemand geschenkt oder verkauft hat. Darauf kann man dann wirklich stolz sein.

1 Kommentar

  1. Dem kann ich nur zustimmen. Ich habe seit ca. 10 Jahren Almased-Erfahrung. Schluss damit! Das mich die Motivation bzgl. „abnehmen“ nicht verlassen hat, ist echt ein Wunder! Danke für diese Seite und für mich neue, gewonnenen Kenntnisse, die ich SOFORT umsetzen werde!

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Beitragsbild: Pixel-Shot/Shutterstock