Aus einem gänzlich anderen Kontext heraus rufen Petra Schuseil und Bettina Schöbitz zur Blogparade zum Thema „Weniger ist mehr“ auf.
Auch wenn die beiden Bloggerinnen völlig andere Lebensbereiche im Fokus haben, so ist doch das Abnehmen geradezu prädestiniert, hier mitzumischen.
Denn weniger Gewicht ist ja das Ziel, in der Überzeugung, dass das mehr Lebensqualität, mehr Lebensfreude, mehr Gesundheit mit sich bringen würde. Es scheint ein sehr vernünftiges Ziel zu sein, ist es doch erwiesen, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung zu viel wiegt.
Tatsächlich ist die Sache nicht ganz so einfach. Denn während die Zahl der Übergewichtigen immer noch steigt, und auch immer mehr Menschen von starkem Übergewicht, von Adipositas betroffen sind, steigt das Durchschnittsgewicht der Bevölkerung nur leicht. Es gibt also auch immer mehr Menschen, die wenig bis zuwenig wiegen. Immer mehr Menschen versuchen, noch weniger zu wiegen, obwohl sie längst dünn oder sogar zu dünn sind. Während Magersucht oder Anorexie noch vor wenigen Jahren ein Problem junger Mädchen war, sind heute zunehmend auch erwachsene Frauen und Männer betroffen. Zuwenig Gewicht ist auch nicht gut, kann sogar lebensgefährlich sein.
Aber auch weniger extreme Ausprägungen kommen immer häufiger vor. Obwohl niemand weiß, wie viele es genau sind, so befinden sich doch sehr viele Menschen im Dauer-Diät-Zustand. Sie sind ständig am Abnehmen, ständig mit ihrem Körpergewicht beschäftigt, kontrollieren ständig ihr Essen, ihr Sportpensum, ihr Leben. Auf der Suche nach mehr Lebensqualität finden sie vor allem mehr Stress, mehr Kontrolle, mehr vom Gefühl, unzureichend zu sein, zu versagen.
Weniger ist mehr gilt ganz sicher, wenn es um den Umgang mit dem eigenen Körpergewicht geht. Aber es ist eben zu einfach, die Sache auf das Körpergewicht selbst zu reduzieren, geht es doch vor allem um ein weniger von anderen Dingen. Um diese anderen Dinge soll es in diesem Artikel gehen.
„Weniger ist mehr“ im Kontext eines zukunftsfähigen Lebensstils
Eiserner Verzicht, der mit größtmöglicher Disziplin durchgehalten wird, wird ja immer noch von ganz vielen als der Königsweg zur schlanken Linie angesehen. Je mehr es wehtut, umso besser.
Der gleiche Denkansatz wird häufig auch dann angewendet, wenn es um die Frage nach dem zukunftsfähigen Lebensstil geht. Der heroische Verzicht auf etwas, was allen anderen als wichtig erscheint, wird als zielführend angesehen.
Die Erfahrung lehrt, dass das nicht funktioniert. Wenn die schlanke Linie eine Zukunft haben soll, dann ist weniger Verzicht notwendig. An seine Stelle kann der bewusste Genuss treten. Mehr bewusster Genuss führt zu geringerem Verbrauch, ohne das Gefühl des Verzichtes. Man kann weniger essen, ohne zu verzichten. Man kann weniger essen, und dabei im Gegenteil noch gewinnen. Nicht nur an Gesundheit und schlanker Linie, sondern auch an Lebensfreude und Zufriedenheit. Diese Veränderung gelingt, wenn man den Fokus von der Quantität auf die Qualität verlegt. Wenn man anfängt, sich zu fragen, was man selbst wirklich will, was einem selbst wirklich wichtig ist.
Für den zukunftsfähigen Lebensstil gilt das gleiche. Mehr Genuss, mehr Muße, mehr Besinnung auf das wirklich Wichtige führen zu weniger Verbrauch, einem kleineren ökologischen Fußabdruck. Wer zu Fuß geht aus Freude an der Bewegung, aus Neugierde an dem, was es unterwegs zu sehen gibt, der wird automatisch weniger Auto fahren, ohne zu verzichten. Wer haltbare Produkte kauft, hat länger davon, verbringt weniger Zeit in Geschäften, im hektischen Einkaufsstress, gewinnt dadurch Freizeit und oft auch finanziellen Spielraum. Es muss nicht wehtun, im Gegenteil.
Die Parallelen sind nicht zufällig. Übergewicht ist ja ein Begleiter unseres modernen Lebensstils, geht einher mit Hektik, Konsum als Selbstzweck, Orientierung an von außen gesetzten (Schönheits-)Idealen und Moden und der allgegenwärtigen Freiheit zur Entscheidung zwischen geradezu unendlich vielen Optionen. Wer von der zweifellos gegebenen Möglichkeit Gebrauch macht, sich für alles zu entscheiden, alles zu kaufen, alles zu konsumieren, eben auch alles zu essen, der wird nicht nur dick, sondern der lebt auch auf großem ökologischem Fuß. Vermutlich wird er dabei auch noch unzufrieden, vielleicht sogar unglücklich sein.
Es ist also wenig zielführend, mit eiserner Disziplin an den ganzen Verlockungen vorbeizugehen. Stattdessen ist es viel besser, sich für Qualität und Genuss zu entscheiden, was, wenn man sich mal bewusst damit befasst hat, die meisten Angebote unattraktiv werden lässt. Wer sich darüber klar wird, was ihn selbst wirklich zufrieden macht, was ihm wirklich wichtig ist, was er sich vom Leben erhofft, der wird ganz vieles einfach nicht mehr brauchen. Das ist kein Verzicht, das ist Lebensqualität.
Verzicht, um ein Zeichen zu setzen? Weniger wovon?
Die Frage danach, worauf man verzichten muss oder möchte, ist also im Grunde schon falsch gestellt. Besser ist, sich zu fragen, was man gewinnen möchte. Wer ein im Wortsinn leichteres Leben anstrebt, der verspricht sich davon ja einen Gewinn.
Ein Beispiel sind die Süßigkeiten. Fast jeder, der abnehmen möchte, nimmt sich vor, weniger Süßes zu essen. Was ja tatsächlich eine gute Idee ist, hat das süße Zeug doch enorm viele Kalorien und kaum Nährstoffe. Stattdessen handelt es sich fast immer um industriell hergestellte Fertigprodukte, die zum großen Teil aus Zutaten hergestellt werden, die sich in keiner normalen Küche finden würden. Die vernünftige Entscheidung gegen die Süßigkeiten fällt also leicht.
Umso schwerer fällt es, den guten Vorsatz auch durchzuhalten. Die Verlockung ist einfach zu groß, es grenzt schon an Gier. Wer es tatsächlich schaffen will, sollte nicht so viel darüber nachdenken, was er nicht mehr tun möchte, denn das funktioniert nicht. Sondern er sollte darüber nachdenken, was er jetzt und in Zukunft tun möchte. Heimisches Obst essen, lieber einen Spaziergang machen, bei Frust vielleicht einfach mal tatsächlich wütend werden, statt ihn in sich reinzufressen, das sind alles anstrebenswerte Ziele. Wenn man sie verfolgt, hat man weniger Zeit für Süßes, und man wird es auch öfter mal einfach vergessen. Es verliert in dem Maße an Bedeutung, in dem andere Dinge an Bedeutung gewinnen.
Das gleiche gilt für jede andere Form von Konsum auch. Wer als Freizeitbeschäftigung nur Shopping kennt, der wird sich das kaum abgewöhnen können, indem er sich vornimmt, nicht mehr einkaufen zu gehen. Sondern indem er darüber nachdenkt, auf welche sinnvolle, erfüllende Weise er seine Zeit verbringen möchte. Welchen Tätigkeiten oder Wissensgebieten denn sein wirkliches Interesse gilt. So dass für das ständige Kaufen weder Zeit noch Interesse übrigbleiben.
Weniger Auto zu fahren, ist ein häufig genanntes Ziel. Das ist sinnvoll, sowohl aus ökologischer Sicht, als auch für die schlanke Linie. Aber auch hier wird der Erfolg wahrscheinlich ausbleiben, wenn man sich darauf beschränkt, darüber nachzudenken, was man nicht tun möchte, worauf man verzichten möchte. Stattdessen hilft es auch hier, darüber nachzudenken, was man gewinnen möchte. Mehr Bewegung an der frischen Luft lässt sich bei begrenzter Freizeit am besten realisieren, indem man die alltäglichen Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegt. Das ist auf Dauer viel einfacher zu realisieren, als erst nach Hause zu kommen, und dann nochmal loszugehen, oder loszuradeln.
Weniger Gewicht bringt auch mehr Beweglichkeit, mehr Freude an der Bewegung. Statt mit dem Auto ins Fitnessstudio zu fahren und dort elektrisch betriebene Fitnessgeräte zu benutzen, kann man auch direkt losgehen, loslaufen, losradeln. Mehr Bewegung ist in jedem Fall individuell sinnvoll, dient dem Erhalt eines niedrigen Körpergewichtes und der Gesundheit. Ob sie zu einem größeren oder kleineren ökologischen Fußabdruck führt, kommt eben drauf an, auf welche Weise man es realisiert.
Verringerung des eigenen ökologischen Fußabdrucks
Abnehmen kann also durchaus eine Möglichkeit sein, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Wenn man das richtige tut, wenn man sein eigenes Wohlergehen tatsächlich im Blick behält und in Relation zu den ökologischen Folgen stellt. Denn der eigene Vorteil und der gesellschaftliche Vorteil schließen sich nicht aus, sie ergänzen sich vielmehr. In ganz vielen Fällen ist das, was individuell sinnvoll ist, auch ökologisch, gesellschaftlich sinnvoll. Wer auf die richtige Weise den eigenen Vorteil verfolgt, nützt dem Ganzen.
Erfahrungen
Die Erfahrung zeigt also, dass Abnehmen durchaus dazu führen kann, dass der eigene ökologische Fußabdruck kleiner wird. Allerdings muss das nicht so sein. Zum Beispiel verbraucht die heute häufig zum Abnehmen propagierte eiweißreiche, kohlenhydratarme Ernährung mehr Ressourcen als eine ausgewogene Ernährung, in der alle Nährstoffe gleichermaßen enthalten sind.
Vorsätze fürs neue Jahr
Das Interesse am Abnehmen folgt saisonalen Schwankungen. Nach den weihnachtlichen Fressorgien ist Abnehmen einer der am häufigsten geäußerten guten Vorsätze fürs Neue Jahr. Am Jahresanfang und im Frühjahr wollen alle abnehmen, spätestens nach dem Sommerurlaub ist das Interesse aufgebraucht, bis zum nächsten Jahr. Ein guter Vorsatz fürs Neue Jahr wäre also, sich keine Vorsätze vorzunehmen, von denen man schon weiß, dass man sie doch nicht durchhält.
Egal um welche Verhaltensänderung es geht, der Vorsatz als solcher reicht nicht aus, um etwas zu verändern. Es muss noch etwas dazukommen. Eine sinnvolle Strategie, wie man seinen Vorsatz realisieren möchte. Was man tun möchte, nicht so sehr, was man nicht tun möchte. Zum Beispiel ist es ja eine gute Sache, mit dem Rauchen aufzuhören. Aber die Erfolgsaussichten sind besser, wenn man einen Plan hat, was man stattdessen tun möchte. Wohin mit den Händen, was tun bei Stress, wie eine Pause zelebrieren?
Statt sich eine Verhaltensänderung vorzunehmen, die man dann doch nicht durchhält, weil sie einem keinen wirklichen Vorteil bringt, ist es besser, sich zu besinnen, sich zu fragen, was man wirklich will, welche Ziele man wirklich anstrebt. Wenn es tatsächlich wichtig ist, dann ergeben sich die notwendigen Verhaltensänderungen quasi von alleine. Wer nur deshalb etwas ändern möchte, weil das gerade modern ist, oder um anderen Leuten zu gefallen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Wer etwas wirklich für sich selbst will, der hat die besseren Aussichten.
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