Auch mit Übergewicht kann Sport richtig Spaß machen
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6 Minuten
Astrid Kurbjuweit

Wenn man zuviel wiegt, dann ist das mit dem Sport ja so eine Sache. Man sollte ja welchen machen, und eigentlich will man ja auch, aber es ist beschwerlich. An dieser Feststellung führt kein Weg dran vorbei.

Aber es geht trotzdem, und es kann richtig schön sein, wenn man nicht einfach blind drauflosrennt, sondern vorher ein paar Überlegungen anstellt. Dann wird es immer weniger beschwerlich und nach einiger Zeit ganz leicht. Und richtig schön.

Wenn man den Sport nicht als lästigen Zwang oder elende Quälerei ansieht, sondern als Gelegenheit, sich etwas Gutes zu tun, dann hat man gute Chancen, dass man das auch hinbekommt. Wer dagegen meint, es wäre zwar schrecklich, aber da müsste man jetzt durch, der hat weniger gute Chancen, das tatsächlich zu schaffen.

Kein Leistungssport!

Das erste ist, dass Sport nicht unbedingt Leistungssport sein muss. Sport ist alles, was einen anstrengt. Auch Fensterputzen kann Sport sein. Für Menschen mit hohem Gewicht ist ein Spaziergang Sport. Der wichtigste Punkt ist also einer, den man garnicht oft genug wiederholen kann: Sport ist das, was für die eigene Fitness anstrengend ist. Also für jeden etwas anderes. Die gefundenen Unterschiede haben dabei nichts mit besser oder schlechter zu tun, jeder Mensch ist einfach nur einzigartig. Es ist also notwendig, die eigene Fitness realistisch einzuschätzen.

Wenn man das mal gemacht hat, dann ergibt sich daraus fast von selbst, was die richtige Menge Sport ist. Und das ist, vor allem am Anfang, gar nicht so viel. Für Anfänger, egal wie viel sie wiegen, gilt sowieso, dass weniger mehr ist. Steigern kann man sich dann immer noch.

Viele neigen gerade beim Sport zu Extremen, zu einer Alles-oder-Nichts-Einstellung. Vom Sofa direkt zu täglichem, intensivem Training zu wechseln gibt einem im Moment zwar das gute Gefühl, jetzt aber wirklich alles anders, alles besser zu machen. Das kann gut gehen, aber meistens geht es nicht gut. Je schwerer man ist, umso wahrscheinlicher ist der Bewegungsapparat, sind Gelenke, Bänder und Sehnen der Belastung auf Dauer nicht gewachsen. Was nicht heißt, dass Leichtgewichte gegen Überlastungserscheinungen immun sind. Es kann jedem passieren, der auf unvernünftige Weise ins Training einsteigt.

Wer zuviel trainiert und zuwenig Pausen macht, der kommt recht schnell in einen Zustand der Erschöpfung. Gerade am Anfang dauert die Regeneration nach einem anstrengenden Training noch recht lange. Wenn man sich die Zeit nimmt, um sich in Ruhe wieder zu erholen, dann wird man schnell Verbesserungen merken. Denn auch die Regeneration kann man trainieren. Das geht mit der Zeit auch immer schneller. Während man am Anfang besser nur zwei- höchstens dreimal in der Woche trainiert, kann man sich nach kurzer Zeit auf fünf oder sechs Trainingseinheiten steigern, wenn man das möchte. Dagegen ist es nicht empfehlenswert, gleich mit dem fast täglichen Training zu beginnen, da man dann keine Verbesserung, sondern meistens sogar eine Leistungsverschlechterung verzeichnen wird.

Vorsicht mit Vorbildern

Es ist also keine gute Idee, sich an den aggressiv beworbenen Vorbildern aus Fernsehsendungen oder ähnlichem zu orientieren. Da gewinnt immer nur einer, und was aus den anderen wird, weiß niemand. Für sich selbst sollte man in Erwägung ziehen, dass man vermutlich einer dieser Anderen wäre, wenn man es genauso machen würde wie dort gezeigt. Die meisten haben ohnehin kein Team an Unterstützern zur Seite, keine privaten Physiotherapeuten, Ernährungsberater, Fitnesstrainer undsoweiter.

Alles kann durch Training verbessert werden. Die Ausdauer, die Kraft, die Gelenkigkeit, die Geschicklichkeit, die Belastbarkeit des Bewegungsapparates, die Rückenschmerzen, die Füße, alles, was mit dem Körper zu tun hat. Darüber hinaus verbessert das Training die Stimmung und das Selbstbewusstsein. Alle positiven Wirkungen lassen sich aber nicht jetzt sofort erzwingen, sondern nur nach und nach erarbeiten. Und es ist völlig in Ordnung, wenn man Verbesserungsbedarf sieht, denn genau diese Verbesserungen werden durch das regelmäßige Training erzeugt. Wer meint, er wäre unsportlich und könnte deshalb keinen Sport machen, der argumentiert genauso logisch wie jemand der sagt, er hätte kein Geld und könnte deswegen auch nicht arbeiten um welches zu verdienen.

In jedem Fall ist es ein Fehler, den Sport nur unter dem Aspekt zu sehen, dass damit Kalorien verbrannt werden. Wer das tut, trainiert meistens nicht sinnvoll, sondern zu viel. Natürlich verbrennt jede Aktivität Kalorien, aber darauf kommt es nur am Rande an. Viel wichtiger ist, dass man mit steigender Leistungsfähigkeit einen besser trainierten Körper bekommt. Dieser erlaubt einem dann, intensiver zu trainieren, mehr Kalorien zu verbrauchen, aber er verändert auch die Körperwahrnehmung. Appetit und Hungergefühl verändern sich, es wird einfacher, nicht mehr zuviel und vor allem das Richtige zu essen.

Jeder ist sein eigener Maßstab

Der nächste Punkt ist, jeder ist sein eigener Maßstab. Im Leistungssport geht es um den Vergleich mit Anderen, aber im Freizeitsport sollte jeder so trainieren, wie es ihm selbst gut tut. Die positive Wirkung des Sports kommt daher, dass man sich anstrengt, nicht daher, dass man andere überholt oder auch nur mit ihnen mithält. Es ist natürlich nicht gerade motivierend, wenn man selbst mit hochrotem Kopf da hängt und andere locker vorbeiziehen. Aber diese anderen sollen mal probieren, das Extra-Gewicht zu transportieren, dann haben die auch schnell rote Köpfe. Und jeder hat mal klein angefangen, das ist am Anfang nunmal so, aber es ändert sich bald.

Richtig ist, so zu trainieren, dass es anstrengend ist, aber nicht zu anstrengend. Wie das genau ist, findet man raus, wenn man sich auf sich selbst und seinen eigenen Körper konzentriert. Nicht, indem man auf andere guckt. Es ist also eine Frage der Einstellung. Wer Sport macht, um sich selbst etwas Gutes zu tun, der braucht keinen Vergleich mit Anderen. Die richtige Anstrengung ist angenehm, fühlt sich gut an. Wenn es sich nicht gut anfühlt, egal warum, dann sollte man nicht versuchen, irgendetwas zu erzwingen, sondern gucken, woran es liegt. Ganz oft hilft es, einfach langsamer zu machen.

Hindernisse bewältigen

Das ist natürlich noch ein Punkt. Es werden Hindernisse auftauchen. Es werden Schwierigkeiten entstehen. Immer da, wo man am wenigsten damit rechnet. Damit muss man sich befassen, das muss man ändern. Wer meint, er müsste alles aushalten, weil er ja dick ist und es nicht anders verdient hat, der macht einen Fehler. Nichts muss man aushalten. Sport ist auch keine Strafe fürs Dicksein, sondern etwas Schönes, das Freude bereitet. Diese Freude muss mancher erst suchen, aber jeder kann sie finden.

Es kann helfen, sich an Anfänger-Plänen zu orientieren, aber man sollte sich nicht sklavisch daran halten, sondern gucken, wie man sich selbst am wohlsten fühlt.

Schwierigkeiten können die unterschiedlichsten Dinge machen. Häufig sind zum Beispiel Fußprobleme, von Blasen bis Senk-Spreizfüßen. Sich zu quälen ist keine Lösung. Blasen können behandelt werden, bessere, wirklich passende Schuhe sind eine Investition, die sich lohnt. Auch wenn es Zeit und Nerven kosten kann, sie zu finden. Manchmal helfen auch orthopädische Einlagen gegen Fehlstellungen oder Überlastungen. Egal, was das Problem ist, es gibt eine Lösung, man muss sie nur finden. Das muss man selbst machen, das wird kein anderer übernehmen. Selbst machen bedeutet dabei oft, sich selbst Hilfe suchen. Man muss kein Orthopäde werden, aber man muss selbst hingehen und ihm klarmachen, dass es wirklich wichtig ist.

Schwierig ist oft auch die Reaktion der Mitmenschen. Man ist ja selbst nicht ganz glücklich damit, dass man keine so gute Figur macht. Da schmerzt es doch sehr, dass andere die ganz normalen Regeln der Höflichkeit nicht kennen. Aber auch das ist eine Frage der Sichtweise. Es sind diese Anderen, die sich danebenbenehmen. Am Ende geht es um einen Mittelweg zwischen einem angemessen dicken Fell, das man sich zulegen sollte und der klugen Auswahl der Orte, an denen man Sport macht. Es kann das Fitnessstudio sein, muss es aber nicht. Es kann der Park oder Wald sein, muss es aber nicht. Mit Ausprobieren und Überlegen findet man einen Ort, an dem man sich beim Sport wohl fühlt.

Und noch ein Punkt. Es gibt keine richtigen und falschen Sportarten, nur solche, die Spaß machen oder eben nicht. Jeder entscheidet selbst, was ihm Spaß macht, da sollte man sich keine Vorschriften machen lassen. Es ist eine gute Idee, neugierig zu sein, auszuprobieren, zu gucken, was einem Spaß macht. Und das dann wieder zu tun. Die Sachen, die doch nicht so angenehm waren, die kann man dann auch wieder sein lassen.

Da man nicht immer im Voraus weiß, was einem Spaß machen wird, sollte man sich nicht gleich am Anfang festlegen. Die häufige Überlegung, wenn man den Vertrag im Fitnessstudio mal unterschrieben hat, dann muss man ja hingehen und trainieren, ist nicht zielführend. Fitnessstudios leben genau von diesen Leuten. Wenn die alle hingehen würden, müsste das Studio anbauen. Bezahlt zu haben reicht also nicht aus. Besser ist, ein Probetraining zu machen, und wenn das angenehm war, dann vielleicht noch eins, oder dann erstmal einen Vertrag mit kurzer Laufzeit zu unterschreiben. Wenn es nicht angenehm war, dann sollte man nicht denken, dass man das jetzt trotzdem machen muss, sondern man sollte woanders hingehen. Es gibt viele Fitnessstudios, und es gibt noch viel mehr Alternativen, wie man auch Sport machen kann, ganz ohne Vertrag und Geldausgabe.

Wer es wirklich ernst meint, kann sogar seinen eigenen Sportverein gründen. In jedem Fall ist es eine gute Idee, sich mit anderen zusammen zu tun. Schwierigkeiten sind unvermeidlich, da tut es gut, sich auszutauschen, sich gegenseitig zu helfen und auch, einfach nur zu sehen, dass andere auch mit der Tücke des Objektes zu kämpfen haben. Es kann ja schlecht an der eigenen Unzulänglichkeit liegen, wenn andere auch mit diesem und jenem geschlagen sind.

Der Einstieg in den regelmäßigen Sport ist bei ganz vielen ein Hindernislauf. Viele Steine müssen aus dem Weg geräumt werden, bevor man wirklich entspannt sein eigenes Ding machen kann. Wer nicht gleich bei den ersten Schwierigkeiten aufgibt, der wird wirklich belohnt. Sport ist richtig toll, ganz egal, wie viel man wiegt!

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Beitragsbild: Kletr/Shutterstock