Auf Fleisch und Wurst verzichten?

Paleo - viel Fleisch und Gemüse
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5 Minuten
Astrid Kurbjuweit

Wer abnehmen möchte, steht vor der Frage, für welche Abnehmmethode er sich entscheiden soll. Es gibt geradezu unendlich viele Möglichkeiten, und natürlich möchte man die beste finden. Aber welches ist die beste Abnehmmethode?

Die meisten Menschen glauben, dass es am besten hilft, wenn man am meisten tut, am meisten verändert, die extremste Abnehmmethode wählt, die sich finden lässt. Das ist durchaus verständlich, schließlich sind sie motiviert und wollen etwas tun, sind bereit, sich wirklich für ihr Ziel zu engagieren. Aber ist maximales Engagement wirklich die beste Lösung?

Zur Zeit sind (mindestens) zwei Abnehmmethoden modern. Die eine propagiert, möglichst viel Fleisch zu essen, wie es während der Steinzeit der Fall gewesen sein soll. Diese Vorgehensweise ist unter der Bezeichnung Paleo-Diät bekannt. Es gibt sie in zahlreichen Varianten, auch das intermittierende Fasten ist davon abgeleitet.

Die andere Methode propagiert, überhaupt kein Fleisch mehr zu essen, sogar auf alle tierischen Produkte wie Milch, Ei und daraus hergestellte Lebensmittel vollständig zu verzichten. Also eine vegane Ernährungsweise zu praktizieren. Das ist ziemlich extrem und trifft damit das Bedürfnis vieler Abnehmwilliger nach maximalem Engagement auf den Punkt. Aber auch schlanke Menschen, die sich für Natur und Umwelt engagieren möchten, entdecken das vegane Essen und Leben als Beitrag zur praktischen Umsetzung der von ihnen vertretenen Ideale.

Hinzu kommt, dass es gar nicht so einfach ist, sich vegan und trotzdem gesund zu ernähren. Wer einfach nur weg lässt, ernährt sich zu einseitig. Es ist also sorgfältige Planung und das genaue Befolgen ausgeklügelter Rezepte notwendig, um sich vegan und gleichzeitig gesund zu ernähren. Dieser Aufwand gibt den Menschen das Gefühl, etwas tun zu können, Einfluss zu haben. Der Aufwand wird also positiv gesehen. Insgesamt ist es also kein Wunder, dass die vegane Ernährungsform zur Zeit sehr beliebt ist und von vielen überzeugt verteidigt wird. Aber ist es auch wirklich die beste Abnehmmethode?

Vegane Ernährung zum Abnehmen

Sich vegan zu ernähren bedeutet, auf Fleisch, Fisch, Eier, Milch, Honig und alle aus tierischen Produkten hergestellten Lebensmittel vollständig zu verzichten. Eine vegane Lebensweise verzichtet zusätzlich auch noch auf alle sonstigen Produkte, die auf tierischer Grundlage hergestellt sind, wie Bekleidung aus Leder oder Wolle, Knöpfe aus Horn oder Düngemittel aus Knochenmehl (nicht jedoch aus tierischen Ausscheidungen, BIO ist beliebt) und bemüht sich, Tiere zu schützen, ihnen jedenfalls nach bestem Wissen und Bemühen nicht zu schaden.

Er erscheint für das Abnehmen sehr günstig, auf diese große Zahl von Lebensmitteln komplett zu verzichten, insbesondere als damit ja auch alle tierischen Fette wegfallen, die ja sehr kalorienreich sind und dementsprechend durchaus als Dickmacher eine wichtige Rolle spielen.

Dementsprechend wird die vegane Ernährungsweise nicht nur als besonders gesunde Ernährung, sondern auch als Königsweg zur schlanken Linie angepriesen. Es gibt einige Diäten und Abnehmprogramme, die auf diesem Prinzip beruhen. Sie erfreuen sich zur Zeit großer Beliebtheit.

Vegan Abnehmen in der Praxis

In der Praxis zeigt sich, dass man mit einer veganen Ernährungsumstellung und Diät sehr gut abnehmen kann. Auch wenn es nicht jedem gelingt, aber das ist ja leider bei allen Abnehmmethoden so. Wie bei allen radikalen Umstellungen und Diäten zeigt sich nach einiger Zeit aber auch, dass die Erfolge bei den meisten nicht von Dauer sind. Zum einen ist es schwer, auf Dauer vegan zu leben, zum anderen ist es schwer, auf Dauer nicht mehr zu essen, als man braucht. Warum das so ist, kann man zur Zeit nur vermuten, aber es gibt einige zumindest gut begründete Vermutungen.

Wer auf alles tierische verzichtet, isst fast zwangsläufig sehr wenig Eiweiß. Fleisch und Fleischprodukte durch ähnlich aussehende Produkte aus Soja zu ersetzen, ist zwar möglich, bringt aber die Nachteile mit sich, die ein hoher Soja-Verzehr hat und ist auf Dauer ein bisschen einseitig. Ansonsten ergibt sich, dass eine vegane Ernährung fast zwangsläufig recht kohlenhydratlastig ausfällt. Auch wenn die ansonsten häufig anzutreffende Kohlenhydratverteufelung sicher unberechtigt ist, so ist das andere Extrem, zuviele Kohlenhydrate zu essen, sicherlich auch nicht besonders ausgewogen und mit Nachteilen verbunden.

Während es sehr sinnvoll ist, Kohlenhydrate als ganz normalen Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung zu betrachten und die damit einhergehenden Vorteile mitzunehmen, bedeutet das nicht, dass noch mehr Kohlenhydrate noch besser wären. Wie immer kommt es auf das richtige Maß an.

Das eine Extrem, eine eiweißlastige und kohlenhydratarme Ernährung, ist vermutlich auf Dauer genauso unausgewogen wie das andere Extrem, das sehr wenig Eiweiß und sehr viele Kohlenhydrate enthält. Und damit auf Dauer genauso schwer durchzuhalten. Hinzu kommt, dass klassische Dickmacher, wie die fast unwiderstehlichen Zucker-Fett-Mischungen handelsüblicher und sonstiger Süßigkeiten, durchaus vegan sind. Um abzunehmen, braucht es also zusätzliche Einschränkungen, nur einfach vegan zu leben, reicht nicht aus.

Und genau das scheint mittel- bis langfristig vielen Veganern zu passieren. Die gesunde Ernährung mit viel Soja, Vollkorn, Obst und Gemüse befriedigt nicht mehr, es muss gehaltvolleres her. Wenn es trotzdem vegan sein soll, landet man schnell bei den süßen oder fetten Dickmachern.

Zusätzlich scheint es vegan lebenden Menschen nicht anders zu ergehen als anderen. Die Lieblingsessen und jahrelang praktizierten Essgewohnheiten verschwinden nicht einfach so aus dem Gedächtnis, lassen sich nicht so einfach durch noch so gesunde, noch so ausgeklügelte Rezepte ersetzen. Das Bedürfnis, über die Stränge zu schlagen, steigt mit der Zeit immer mehr an. Irgendwann, meistens in einem stressigen Moment, in dem man nicht so aufpasst, passiert es dann. Man schlägt voll zu und dann kommt gleichzeitig mit dem schlechten Gewissen der Gedanke, dass es jetzt auch egal ist.

Was wirklich wichtig ist

Wer in die Falle tappt und der Überzeugung, dass es jetzt auch egal ist, nachgibt, der hat ein Problem. Mal zuviel zu essen, mal das Falsche zu essen, ist nicht das Problem, aber der Gedanke, dass es danach kein Zurück mehr gibt, der ist eins. Für den Abnehmerfolg ist es gar nicht so wichtig, was man genau isst, viel wichtiger ist, wie man mit tatsächlichen oder vermeintlichen Schwierigkeiten umgeht.

Jeder isst mal zu viel, jeder isst mal das Falsche. Wer sich davon nicht aus dem Konzept bringen lässt und einfach so weitermacht, wie er sich das vorgenommen hatte, der wird am Ende schlank werden. Der wird, noch besser, es höchstwahrscheinlich auch bleiben können.

Wer dagegen glaubt, er müsste seinen Plan immer hundertprozentig einhalten, es dürfte da keine Abweichungen geben, der hat bei der ersten Abweichung keinen Plan mehr. Was meistens in unangenehmen Rückfällen und Gewichtszunahme endet. Das sollte man vermeiden.

Die bessere Lösung

Besser als radikale Veränderungen, die man dann doch nicht durchhalten kann ist, sich nach und nach in die richtige Richtung zu verändern. Ganz viele Menschen essen zu viel Fleisch und zu viel Wurst. Es ist eine gute Idee, das zu reduzieren. Viele essen auch allgemein zu viel tierische Produkte, zu eiweißreich, zu fett. Auch das kann und sollte man reduzieren. Reduzieren bedeutet aber nicht, komplett zu verzichten.

Wer einen Plan hat, der nicht nur gesund und kalorienarm ist, sondern der auch die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben mit in Betracht zieht, der hat die besseren Erfolgschancen. Wer darüber hinaus seinen Plan flexibel gestaltet, also Abweichungen zulässt und damit zufrieden ist, wenn es im Großen und Ganzen in die richtige Richtung läuft, der kann auf Dauer durchhalten. Abweichungen zuzulassen bedeutet ja auch, sich nicht aufzuregen, wenn es mal nicht so gut läuft. Wer sich nicht aufregt, der hat viel mehr Energie für sein Leben übrig, lebt also viel zufriedener. Wer sich nicht aufregt, der kann auch viel leichter wieder zum Plan zurückkehren, wenn die weniger gute Phase vorbei ist.

Wer feststellt, dass ihm Fleisch und Wurst, oder auch nur manche Sorten davon nicht schmecken, der kann sie einfach weglassen. Wer feststellt, dass er Milchprodukte, Eier, Honig oder was auch immer nicht mag, der braucht es nicht zu essen. Aber wer sich Lebensmittel verbietet, die ihm richtig gut schmecken, der schafft sich Schwierigkeiten, an denen er vermutlich früher oder später scheitern wird.

Es ist schon richtig schwer, auf Lebensmittel oder allgemein Produkte zu verzichten, von denen man weiß, dass sie einem nicht gut tun. Eine Zeit lang gelingt es, aber fast jeder wird irgendwann rückfällig. Sich dann noch Dinge zu verbieten, die einem schmecken und die einem so richtig gut tun, ist auf Dauer fast unmöglich.

Wer reduziert, tut sich was Gutes. Wer komplett verzichtet, schafft sich Schwierigkeiten.

Veganismus als Ideologie oder moralischer Standpunkt

Wer vegan isst oder lebt, tut das meistens nicht deshalb, weil er tierische Produkte nicht mag, sondern aus ethischen oder ideologischen Gründen. Die Diskussion dieser Gründe ist komplex, sie soll hier nicht geleistet werden.

Wer davon überzeugt ist, dass vegan die bessere Lösung ist, der hat trotzdem Vorlieben und Wünsche, die mit dieser Überzeugung nicht unbedingt übereinstimmen. Der findet vielleicht, wenn er ehrlich ist, trotzdem den Geruch von gebratenem Fleisch herrlich oder den Geschmack von Erdbeerquark.

Dieses Problem ist nicht sonderlich verschieden von dem, das alle Abnehmwilligen kennen. Man wäre ja so gerne schlank, aber die Schokolade oder die Chips, oder was auch immer, schmecken so gut, dass man nicht daran vorbeikommt.

Es ist eine gute Idee, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Es ist ganz einfach, auf Dinge zu verzichten, die man nicht mag. Es ist furchtbar schwierig, auf Dinge zu verzichten, die man eigentlich gerne mag, die man sich wünscht. Diese Schwierigkeit lässt sich durch moralische, ethische oder ideologische Argumente nicht aus der Welt schaffen. Durch die Argumente wird nur der zugrundeliegende Widerspruch, der Kern der Schwierigkeit, deutlicher sichtbar.

Wer akzeptiert, dass hier eine Schwierigkeit ist, der kann sie lösen. Kompromisse und Mittelwege sind unbeliebt, aber langfristig erfolgreich. Es lohnt sich, darüber nachzudenken.

2 Kommentare

  1. Das ist ein sehr guter Artikel mit einigen sehr passenden Sätzen für eine Zitatensammlung. 😉

  2. Vegane Ernährung halte ich (ungeachtet abnehmen oder nicht) als absolut NICHT gesund, da es eine „einseitige“, unausgewogene Ernährung ist.
    Es fehlen zum Teil wichtige Nährstoffe (z. B. Vitamin B12).
    Mir fehlt einfach das Verständnis für eine Ernährungsform, wo ausdrücklich empfohlen wird, regelmäßig den Vitaminstatus überprüfen zu lassen, als gesund zu bezeichnen!

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Beitragsbild: Liliya Kandrashevich/Shutterstock