Warum Abnehmen eine unendliche Geschichte ist

Obst und Gemüse halten auf Dauer schlank
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6 Minuten
Astrid Kurbjuweit

Um diese Jahreszeit beginnen viele Menschen mit dem Abnehmen. Sehr viele sind frohen Mutes, spätestens bis zum Sommer das Wunschgewicht zu erreichen. Aber auch wer mehr abnehmen möchte und weiß, dass das längere Zeit in Anspruch nehmen wird, hofft doch, dass er es möglichst bald hinter sich bringen kann.

Der Ansporn kommt nicht zuletzt aus den Anfangserfolgen. Ist es doch weit verbreitet, dass bereits in den ersten Tagen der Diät oder des Abnehmvorhabens die ersten zwei oder auch zweieinhalb Kilo verschwinden. Das wirkt natürlich motivierend, und schon fängt man an zu rechnen. Wenn es mit der Geschwindigkeit weitergeht, dann dauert es noch bis Tag X, dann wird das Wunschgewicht auf der Waage zu sehen sein. Auch wenn das natürlich motivierend wirkt, hat es mit der Realität leider nichts zu tun.

Egal wieviel man abnehmen möchte, ob ein Kilo, 15 Kilo oder einhundert Kilo, wenn es dauerhaft sein soll, muss genau soviel Fett verschwinden. Und die zwei Kilo, die in den ersten Tagen des Abnehmvorhabens verschwinden, bestehen leider aus allem möglichen, aber nur zu einem winzig kleinen Teil aus Fett. Wenn man weniger isst, sind auch Magen und Verdauungstrakt weniger stark gefüllt, was sich auf der Waage bemerkbar macht. Je weniger man isst, umso stärker bedient sich der Körper zunächst nicht an den Fettdepots, sondern an den Glykogenspeichern. Diese wiegen schwer, müssen aber wieder aufgefüllt werden. Vielleicht führt auch eine gesündere Ernährung mit weniger Salz dazu, dass der Körper überschüssiges Wasser nicht mehr speichert.

Wer sich also das Enddatum seiner Diät oder seines Abnehmvorhabens ausrechnet, macht sich meistens was vor. Es dauert länger. Aber egal, wie lange es wirklich dauert, das Hauptproblem ist nicht der konkrete Termin, den man ja auch realistischer berechnen kann. Das Hauptproblem ist die Annahme, man könnte zeitlich begrenzt abnehmen und wäre dann mit dem Thema durch.

Die Realität ist, wer ein niedrigeres Körpergewicht anstrebt, wird sich für den Rest seines Lebens in der einen oder anderen Weise damit beschäftigen müssen. Auf welche Weise man das tut, macht allerdings einen erheblichen Unterschied.

Die unendliche Achterbahnfahrt

Die am häufigsten gewählte Variante ist immer noch die, so schnell wie möglich abzunehmen, in der Hoffnung, dass es sich damit dann erledigt hat. Auch wenn inzwischen realistischere Vorstellungen über die mögliche Abnehmgeschwindigkeit verbreitet sind, so folgt auf dieses Vorgehen doch früher oder später, meist früher, die Wiederzunahme. Es kann schnell gehen, wie beim JoJo-Effekt, es kann aber auch langsam und kontinuierlich gehen. In jedem Fall sind die, die so schnell wie möglich abgenommen haben, spätestens im nächsten Jahr wieder dran. Das Spiel beginnt von vorne, eine unendliche Geschichte.

Und es ist sogar noch schlimmer. Bei den meisten liegt jedes neue Höchstgewicht höher als alle vorhergehenden. Die Vorgehensweise macht also nur vorübergehend schlanker, auf Dauer gesehen ganz schlicht dick. Es schaukelt sich immer weiter hoch, jede neue Abnahme ist nur ein Anlaufnehmen für den nächsten Gewichtsrekord. Dabei ist es ganz egal, mit welcher Diät oder Ernährungsumstellung man seine zwischenzeitlichen Erfolge erzielt hat. Die nächste Modediät wird es also auch nicht richten.

Ein Problem besteht darin, dass Abnehmen mit der so-schnell-wie-möglich-Methode unangenehm ist. So unangenehm, dass man sich natürlich wünscht, es möglichst schnell hinter sich zu bringen. So unangenehm, dass es tatsächlich unmöglich ist, das auf längere Zeit durchzuhalten. Mit dieser Methode muss es also schnell gehen, es ist nur begrenzte Zeit verfügbar, bevor der Frust zu groß wird.

Ein weiteres Problem ist, dass man mit der so-schnell-wie-möglich-Methode nicht lernt, wie man sich ernähren, bewegen, wie man leben soll, um sein Gewicht über lange Zeit konstant zu halten. Sobald also die Luft raus ist, erfolgt der Rückfall in die alten Gewohnheiten, nur mit reduzierter Stoffwechselaktivität.

Wer das bereits ein paarmal praktiziert hat, und nun bereit ist für die Einsicht, dass es auch bei ihm so abläuft, nicht nur bei den anderen, die alles falsch machen, ist dann vielleicht auch bereit für ein anderes Vorgehen.

Die Alternative, auch eine unendliche Geschichte

Es gibt eine Alternative, es ist nicht zwingend so, dass das Gewicht Achterbahn fahren muss. Diese Alternative ist allerdings unbeliebt. Denn sie garantiert keine schnellen Erfolge, im Gegenteil, sie garantiert, dass sich am Gewicht nur sehr langsam, vielleicht sogar erst mal gar nichts tut. Und diese Garantie bekommt man auch nur dann, wenn man sich auf mühsame Arbeit einlässt. Auf Nachdenken, Hinterfragen, Beobachten, Selbsterkenntnis und Selbstbeobachtung. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, der wird über einen langen Zeitraum langsam an Gewicht verlieren, bis der Körper das für ihn optimale Gewicht eingestellt hat.

Der Vorteil dieser Methode ist allerdings, dass es gar nicht so unangenehm ist. Es ist Arbeit, aber angenehme Arbeit, die zu neuen Erkenntnissen führt. Auch wenn das Gewicht nur langsam sinkt, so steigt das Wohlbefinden doch schnell und deutlich an.

Ein weiterer Vorteil ist, dass man mit dieser Methode lernt, wie man sich ernähren, wie man sich bewegen, wie man leben soll und kann, um über lange Zeit, vielleicht ein Leben lang, das Gewicht auf einem niedrigen Niveau zu halten und sich dabei wohl zu fühlen. Selbst wenn also zwischendurch mal eine Phase kommt, in der die Luft raus ist, so gibt es nicht gleich einen Rückfall, sondern nur Stagnation. Wenn die Motivation wieder da ist, kann man da weitermachen, wo man aufgehört hat, man muss nicht von vorne beginnen, oder schlimmer noch, neue Gewichtsrekorde verkraften.

Das zeigt allerdings auch, dass die Alternative gleich noch einen Nachteil hat. Man kann sein Zielgewicht nicht frei wählen. Der Körper erledigt das. Meistens wählt er ein Gewicht, das höher ist als das heutige Schönheitsideal vorschreibt. Der Preis für das Entkommen aus der Achterbahn ist also hoch. Man muss sich vom Schönheitsideal verabschieden und man muss dafür auch noch viel tun. Und die neuen Gewohnheiten, die man finden muss, die muss man dann auch noch ein Leben lang beibehalten. Es gibt keinen Endtermin, kein erleichtertes Aufatmen. Es ist eine unendliche Geschichte.

Dafür gewinnt man eine Menge Lebensqualität und ein nach der Abnahme konstantes Körpergewicht. Ohne dass man sich dann noch ständig damit beschäftigen muss. Man gewinnt Raum für die Dinge, die im Leben wirklich wichtig sind, das ewige Kreisen um das Gewicht, die ganzen negativen Gedanken braucht man nicht mehr. Für manche ist das vielleicht ein Nachteil, sie müssen sich ein anderes Hobby suchen. Abnehmen taugt dafür nicht mehr.

Was muss man tun?

Die Wahl der Alternative bedeutet für eine ganze Reihe von Menschen, dass sie garnicht abzunehmen brauchen. Sie sind schon schlank. Viele verwechseln Unsportlichkeit mit Übergewicht. Statt weniger essen also mehr bewegen, vielleicht auch systematisch und gezielt trainieren ist für ganz viele die Lösung.

Für die, die nicht nur schlank, sondern auch sportlich fit sind und trotzdem meinen, sie müssten abnehmen, weil da noch irgendwo eine Problemzone, eine Abweichung zum Schönheitsideal ist, bedeutet die Alternative, zu lernen, wie man sich in seiner Haut wohlfühlen kann. Nicht mehr irgendwelchen Idealen hinterherrennen, sondern sich auf sich selbst und das eigene eben-so-sein zu besinnen. Niemand besteht nur aus seinem Gewicht, oder nur aus seinem Aussehen.

Das gilt auch für die, die tatsächlich zuviel wiegen, für die ihr Gewicht tatsächlich eine Einschränkung der Lebensqualität bedeutet. Auch wenn sie natürlich von einer Gewichtsreduktion profitieren werden, so brauchen auch sie ihr Leben nicht auf später, nicht auf schlanke Zeiten zu verschieben. Das Leben findet für alle heute statt, ganz egal, wieviel man wiegt. Das ist also das, was man tun muss, sein Leben leben, heute. Nicht nur essen, nicht nur abnehmen, sondern leben.

Das bedeutet, dass man sich auf die Suche zu begeben muss nach der Ernährungsweise, nach den Essgewohnheiten, nach den Bewegungs- und Sportgewohnheiten, nach der Lebensweise, mit der man dauerhaft sein Gewicht reduzieren und auf einem schlanken Niveau halten kann. Diese Suche hat viel mit Versuch und Irrtum zu tun, und das Ergebnis ist mit ziemlicher Sicherheit ein ziemlich einzigartiges. Denn jeder Mensch ist anders, jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche, andere Gewohnheiten, andere Erfahrungen, eine andere Geschichte. Die neueste Modediät wird kaum die Lösung sein, auch wenn es manchem im Moment so vorkommt.

Ein paar unangenehme Wahrheiten

Wer tatsächlich dauerhaft schlank werden möchte, nicht nur so schnell wie möglich, der muss sich mit ein paar unangenehmen Wahrheiten auseinandersetzen.

Die erste ist, dass man nicht schnell abnehmen kann. Abnehmen dauert, immer. Auch wenn es nur zwei oder fünf Kilo sind. Im Allgemeinen dauert es ein Leben lang an. Es ist also wichtig, dass man es sich angenehm gestaltet, so dass man wirklich damit einverstanden ist, so immer weiter zu machen. Wenn man sich das Ende herbeisehnt, ist es noch nicht das Richtige. Heroisch ganz besondere Härten durchzustehen, ist keine Lösung.

Eine weitere Wahrheit ist, dass man nicht alles selbst bestimmen kann. Der Körper setzt seine Bedürfnisse durch, gegen den stärksten Willen. Mit dem Kopf durch die Wand geht also nicht. Disziplin ist keine Lösung, auch wenn das immer wieder propagiert wird. Die gute Nachricht ist, dass es kein Hinderungsgrund ist, wenn man meint, willensschwach oder inkonsequent zu sein.

Noch eine Wahrheit ist, dass der Körper alle Nährstoffe braucht, in einer Zusammensetzung, die er selbst bestimmt. Alle Ernährungsformen, die bestimmte Nährstoffe oder Lebensmittel verbieten, führen also direkt zurück in die Achterbahn. Auch hier gibt es eine gute Nachricht. Alle Lebensmittel sind erlaubt. Man muss nur für sich selbst herausfinden, welche einem guttun, und welche nicht so. Das heißt nicht, dass man alles essen muss, aber es heißt, dass man alles essen darf, wenn man das möchte. Nicht dann, wenn andere meinen, dass man sollte.

Noch eine Wahrheit ist, dass es nötig sein wird, die Ernährung umzustellen. Dabei muss man bedenken, dass eine Ernährungsumstellung mit dem Ziel, jede Woche ein Kilo oder egal wie viel zu verlieren, keine ist.

Die vielleicht entscheidende Wahrheit ist aber, dass Abnehmen immer das ganze Leben betrifft. Wer sich also bei seinen Überlegungen auf Ernährung und Sport beschränkt, vergisst mehr als die Hälfte.

Wer sich mit den unangenehmen Wahrheiten auseinandersetzt und sich ernsthaft auf die Suche nach seiner individuellen Abnehmlösung macht, der wird etwas finden, was er dauerhaft beibehalten kann. Etwas, was ernsthaft als neue Gewohnheit taugt, ohne Zeitbegrenzung. Das macht dauerhaft schlank.

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