Hintergrund: Kalorien und Abnehmen – alles, was man wissen muss

Beim Abnehmen reden alle von Kalorien. Aber was ist das genau, und wie wichtig ist es, sie beim Abnehmen im Blick zu behalten, oder sie gar zu zählen?
Kalorien - oft schwer zu fassen
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11 Minuten
Astrid Kurbjuweit

Jeder der abnehmen möchte, weiß, was Kalorien sind. Oder glaubt zumindest, es zu wissen. Eine diffuse Vorstellung davon, was das sein könnte, hat jeder. Kalorien sind im Essen drin, Kalorien kann man mit Sport verbrauchen.

Wer mehr Kalorien zu sich nimmt, als er verbraucht, nimmt zu. Beim Abnehmen sind Kalorien irgendwie wichtig. In gewisser Weise stimmt das alles sogar. Zumindest umgangssprachlich.

Allerdings ist es physikalisch nicht so ganz korrekt. Was aber beim Abnehmen und bei der Einschätzung von Lebensmitteln oder sportlichen Aktivitäten nicht wirklich eine Rolle spielt. Trotzdem kann es ganz interessant sein, sich mal anzugucken, was Kalorien denn nun tatsächlich sind.

Man spart sich eine Menge Stress, wenn man die Kalorien nicht wichtiger nimmt als sie sind.

Kalorien als physikalische Maßeinheit

Kalorien sind eine Maßeinheit für Energie, die allerdings offiziell nicht mehr verwendet wird. Eine Kalorie, korrekt eine Kilokalorie (Kcal) ist die Menge Energie, die benötigt wird, um einen Liter Wasser um ein Grad zu erwärmen.

Da die dafür benötigte Energiemenge aber auch davon abhängt, wie warm das Wasser vorher schon war, wie hoch der Luftdruck ist und was im Wasser außer H2O noch so alles drin ist, ist das Maß nicht so ganz genau. Für Physiker eine Katastrophe, für Abnehmwillige natürlich nicht so wichtig.

Kalorien und Joule, was soll das?

Diese Ungenauigkeit ist jedenfalls einer der Gründe dafür, dass Kalorien offiziell nicht mehr verwendet werden, sondern durch Joule ersetzt wurden. Eine Kalorie ist (ungefähr natürlich, siehe oben) 4,185 Joule.

Ein Joule ist dabei dasselbe wie eine Wattsekunde. Wattsekunden lassen sich einfach in zum Beispiel Kilowattstunden (KWh) umrechnen. Wenn man möchte, kann man also direkt vergleichen mit der Energie, die als Strom aus der Steckdose kommt.

Diese einfache Umrechenbarkeit, auch in alle möglichen anderen Einheiten, vor allem Energieeinheiten, ist einer der Gründe für die Bevorzugung des Joule vor der Kalorie. Man kann damit den Energiegehalt oder -verbrauch von allem möglichen miteinander vergleichen, also zum Beispiel auch den Stromverbrauch oder Benzinverbrauch mit dem Energieverbrauch beim Joggen oder Fahrradfahren.

Man kann dadurch zum Beispiel feststellen, dass Menschen sehr effizient mit der Energie umgehen, viel weniger davon verbrauchen als zum Beispiel Autos. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass Autos viel mehr wiegen.

Allerdings haben alle Vorteile des Joule nicht dazu geführt, dass es im Alltag der Ernährung oder beim Abnehmen eine Rolle spielen würde. Unter Kalorien kann man sich etwas vorstellen, unter Joule nicht.

Die theoretisch-physikalischen Vorteile, die das Joule mit sich bringt, sind im Alltag, beim Abnehmen oder Kalorienzählen, irrelevant. So kommt es, dass zwar auf Lebensmitteln immer beide Werte angegeben werden, sich aber so gut wie niemand für die Joule-Angaben interessiert. Die Kalorienangaben sind dagegen Gegenstand eines regen Interesses.

Kalorienangaben sind immer ungenau, sind eher Schätzwerte

Bedenken sollte man allerdings, dass Kalorienangaben ungenau sind, zum einen per Definition, aus den oben genannten Gründen, zum anderen aber auch aufgrund von Schwierigkeiten bei der Messung.

Messung des Energiegehalts und -verbrauchs

Der Kaloriengehalt, also genauer, der Energiegehalt eines Lebensmittels, der auf der Packung oder in einer Kalorientabelle steht, erweckt den Eindruck, als ob genau dieses konkrete Lebensmittel, das man gerade in der Hand hält, exakt den angegebenen Energiegehalt haben würde. Dieser Eindruck ist falsch.

Um den Energie- oder Kaloriengehalt eines Lebensmittels festzustellen, muss dieses Lebensmittel zerstört, verbrannt werden. Es kann also immer nur der Kalorien- oder Energiegehalt eines vergleichbaren, möglichst ähnlichen Lebensmittels festgestellt werden. Die Annahme, die dahinter steht, dass alle ähnlichen Lebensmittel, also zum Beispiel alle Erdbeerjoghurts eines bestimmten Herstellers, gleich sind, die kann stimmen, muss sie aber nicht.

Lebensmittel sind Naturprodukte, Inhaltsstoffe und Kaloriengehalt schwanken

Denn immer noch werden alle unsere Lebensmittel auf der Grundlage von Naturprodukten hergestellt. Auch wenn viele industriell hergestellte Lebensmittel nur noch sehr entfernt an die Naturprodukte erinnern, aus denen sie produziert wurden, so gilt doch immer noch, dass alles, was aus der Natur stammt, einer gewissen Variabilität unterworfen ist.

So ist der Energiegehalt von zum Beispiel Möhren, einem unzweifelhaften Naturprodukt, nicht immer gleich. Es gibt verschiedene Möhrensorten, sie wachsen in unterschiedlichem Klima, im Freiland oder Gewächshaus, sie werden mehr oder weniger gedüngt und gegossen, sie werden zu unterschiedlichen Zeiten gesät und geerntet. Es wäre naiv, anzunehmen, dass der Kaloriengehalt all dieser Möhren identisch wäre.

Das gilt natürlich auch dann noch, wenn die Möhren verarbeitet, in allen möglichen weiteren Produkten mitverwendet werden. Die Exaktheit, die eine Kalorienangabe von zum Beispiel 327 nahelegt, ist Illusion. Ungefähr 300 würde es besser treffen, denn so ganz genau kann man es nicht wissen.

327 Kalorien war der Energiegehalt des untersuchten Produktes, aber alle ähnlichen Produkte haben eben auch nur einen ähnlichen Kaloriengehalt, wie hoch der exakt ist, kann niemand wissen.

In praktischen Untersuchungen werden deshalb mehrere Exemplare untersucht und der Mittelwert wird dann publiziert. Nicht angegeben wird die Varianz oder ein anderes Maß der Variabilität. Man kann also nicht wissen, wie genau der angegebene Wert tatsächlich ist. Mit welchen Werten man in der Praxis, auch bei dem konkreten Produkt, das man gerade in der Hand hält, tatsächlich rechnen muss.

In der Praxis stehen also in verschiedenen Kalorientabellen unterschiedliche Kalorienangaben, auf (fast) identischen Produkten verschiedene Werte, für die es keine Erklärung gibt. Und wenn die Untersuchung nach einiger Zeit wiederholt wird, gibt es neue Zahlen.

Es hilft sehr, diese Zahlen als Anhaltspunkte zu verstehen, nicht als exakte Wahrheiten.

Muss man Lebensmittel mit wenig Kalorien essen, wenn man abnehmen möchte?

Die allzu intensive Beschäftigung mit Kalorienangaben führt auch häufig zu einem Missverständnis, nämlich dass es zum Abnehmen notwendig oder zumindest sinnvoll wäre, möglichst oder sogar nur Lebensmittel mit einem geringen Kaloriengehalt zu sich zu nehmen.

Viel wichtiger als der Kaloriengehalt als solcher ist die Frage, wie viele Kalorien es braucht, um satt zu werden und möglichst lange satt zu bleiben. Das steht auf keiner Packung, in keiner Tabelle.

Der Kalorienverbrauch ist genauso wenig exakt feststellbar

Es ist also nicht nötig, exakt zu wissen, wieviele Kalorien ein Produkt genau hat, denn auch der Energieverbrauch unterliegt einer vergleichbaren Ungenauigkeit.

Es gibt Formeln, mit denen sich der Energieverbrauch von Menschen berechnen lässt. Es gibt Tabellen, in denen der Energieverbrauch bei bestimmten Sportarten nachgelesen werden kann. Auch hier wird eine Exaktheit nahegelegt, die nicht nachweisbar ist. Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch hat seinen eigenen Energieverbrauch. Als ungefähre Anhaltspunkte sind die Zahlen zu verwenden, auf keinen Fall als feststehende Daten.

Abnehmen mit einem Kaloriendefizit

Um abzunehmen, muss man weniger Energie zu sich nehmen als man verbraucht. Oder mehr Energie verbrauchen, als man zu sich nimmt. Das ist trivial.

Kann man seine Gewichtsreduktion berechnen?

Allerdings ist der Versuch, seine Gewichtsreduktion zu berechnen, nur scheinbar erfolgreich. Zwar gibt es Konventionen, Eckdaten, von denen man für eine ungefähre Abschätzung ausgehen kann. Das kann durchaus sinnvoll sein, zum Beispiel um zu verhindern, dass man auf Hokus Pokus hereinfällt. Nicht alles ist möglich. Man kann zum Beispiel nicht mehrere Kilo Körperfett in einer Woche verlieren.

Aber die exakte Berechnung scheitert, daran, dass sowohl der Mensch als auch seine Lebensmittel Natur sind, nicht wirklich exakt berechenbar sind. Wenn man das nicht berücksichtigt, erleidet man Rückschläge und Misserfolge, die in Wirklichkeit keine sind.

So ist es zwar eine Tatsache, dass im Durchschnitt etwa 7000 Kalorien an Energie in einem Kilo Körperfett gespeichert sind. Und es ist eine Tatsache, dass man beim zu Fuß gehen oder laufen etwa 1 Kalorie pro Kilometer und Kilo Körpergewicht verbraucht, aber beides sind nur ungefähre Werte, aus denen man nicht berechnen kann, nach wievielen Kilometern genau ein Kilo Körperfett verschwunden sein muss.

Oft scheitert es ja schon daran, dass man nicht weiß, wieviele Kilometer man zurückgelegt hat. Normalerweise behilft man sich da mit Zeitangaben, die allerdings zur Folge haben, dass man scheinbar mehr Energie verbraucht, wenn man sich langsamer bewegt. Schon daran wird klar, dass es sich nur um grobe Schätzungen handeln kann.

Wenn eine halbe Stunde zu Fuß gehen einen bestimmten Kalorienverbrauch mit sich bringen soll, dann wäre es ja sinnvoll, die Wege, die man gehen muss, möglichst langsam zu gehen, um länger zu brauchen und damit mehr Kalorien zu verbrauchen. Das ist in der Realität aber nicht so.

Berechnung des Energieverbrauchs mithilfe von Formeln

Man kann auch seinen täglichen Energieverbrauch nach einer der bekannten Formeln berechnen. Aber man macht einen Fehler, wenn man die erhaltenen Werte eins zu eins als unumstößliche Wahrheit annimmt. Wenn man die erhaltenen Werte als grobe Abschätzungen interpretiert, dann haben sie durchaus einen Wert, und man vermeidet Frust, wenn die Realität hinterher nicht den Berechnungen entspricht.

Wenn die Berechnung zum Beispiel einen täglichen Energieverbrauch von 2000 Kalorien ergibt, so heißt das noch lange nicht, dass man regelmäßig jeden Tag tatsächlich diese Energiemenge verbraucht.

Der tatsächliche Verbrauch ist von vielen Größen abhängig, unter anderem von der Umgebungstemperatur, ob das Essen leicht oder schwer verdaulich ist, ob man gestresst oder entspannt ist, wieviel man sich tatsächlich bewegt, wieviel man schläft, wieviel Kaffee man trinkt, wieviel man in den Wochen und Monaten vorher gegessen hat, und noch von vielen weiteren Bedingungen.

Niemand kann das alles exakt berechnen. Menschen unterscheiden sich auch, manche verbrauchen mehr Energie, andere weniger. Man weiß nur wenig darüber, warum das so ist. Die Ergebnisse, die die schönen Formeln ausspucken, sehen zwar exakt aus, sind aber in Wahrheit grobe Abschätzungen. Wenn man sie als solche betrachtet, sind sie keineswegs nutzlos. Ganz im Gegenteil. Nur als exakte Werte stellen sie eine Illusion dar.

Nicht vergessen sollte man, dass der menschliche Energieverbrauch sehr variabel ist. Der Körper kann sich an das Energieangebot anpassen. Wenn es wenig zu essen gibt, dann reduziert der Körper seinen Verbrauch. Diese Sparsamkeit kann durchaus länger anhalten, auch dann noch, wenn man wieder normal isst. Eine Gewichtszunahme ist dann die Folge. Berechnen lässt sich so etwas nicht, nur in der Realität beobachten.

Weil der Energieverbrauch sich anpasst, muss man nach einer Gewichtsreduktion auch immer weiter aufpassen, dass man nicht wieder zunimmt. Abnehmen ist eine unendliche Geschichte. Wer das akzeptiert, kann gut schlank werden und bleiben. Wer dagegen berechnet, wie lange es bis zum Wunschgewicht dauert, der wird enttäuscht sein.

Gewichtsreduktion gleich Fettabbau, oder?

Wer sich ausrechnet, wieviel er essen darf, um ein bestimmtes Kaloriendefizit zu erhalten, und daraus auf seine zu erwartende Gewichtsreduktion schließt, der macht zwar theoretisch alles richtig, in der Praxis aber eben doch einen Fehler. Denn es gibt einfach zu viele Einflußfaktoren, die sich nur im Prinzip, in der Praxis eben einfach doch nicht berechnen lassen.

Auch der Abgleich mit der Waage ist kein Beweis für gar nichts. Denn alle Berechnungen beziehen sich auf den Fettanteil des Körpers, auf Fettverlust und Fettabbau oder -aufbau. Aber die Waage unterscheidet nicht. Sie kann den Verlust von Körperfett nicht vom Verlust von Wasser, Muskelmasse, Glykogen oder Magen- und Darminhalt unterscheiden.

Auch Körperfettwaagen können das nicht wirklich. Auch Körperfettwaagen geben nur vor, etwas zu messen, was man nicht messen kann. In Wirklichkeit sind in der Waage Formeln implementiert, die Ergebnisse der Berechnungen werden nur als Messungen ausgegeben.

Berechnungen auf der Basis von Kaloriengehalten, also von Energiegehalten und Energieverbrauch, sind als ungefähre Abschätzungen durchaus sinnvoll. So kann man sich mit einer solchen Berechnung unschwer klar machen, dass es nicht möglich ist, mehrere Kilo Körperfett in einer Woche zu verlieren. Berechnungen können also durchaus davor schützen, unvernünftige Entscheidungen zu treffen, auf Wundermittel hereinzufallen oder ähnliches.

Aber Berechnungen können auch Schaden anrichten. Dann nämlich, wenn der Körper sich nicht an die Berechnungen hält, wenn die Anzeige der Waage und das Ergebnis der Berechnung nicht übereinstimmen. Was öfter vorkommt als man denkt. Dann gerät man schnell in Versuchung, das Kaloriendefizit größer zu machen, mehr zu verbrauchen, noch weniger zu essen. Diese Versuchung sollte man unbedingt vermeiden, denn sie führt nur in den JoJo-Effekt, nicht zu nachhaltiger Gewichtsreduktion.

Es ist also eine gute Idee, Kalorienangaben und -berechnungen mit Vorsicht und einer gewissen Distanz zu betrachten. Das Körpergefühl ist ein viel verlässlicherer Indikator in der Frage des richtigen Verhaltens. Das kann man wieder erlernen.

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Beitragsbild: LightField Studios/Shutterstock