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Misserfolg und Erfolg beim Abnehmen
Die Realität sieht allerdings in vielen Fällen etwas anders aus. Wer einen Misserfolg verbuchen musste, probiert es beim nächsten Mal auf die gleiche Weise, oft ohne auch nur zu versuchen, aus den vergangenen Fehlern zu lernen. Nur mit dem festen Vorsatz, es diesmal aber wirklich zu schaffen. Was wenig überraschend sehr oft zum nächsten Misserfolg führt.
Nur wenige analysieren die Misserfolgssituation und versuchen, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Die meisten verzichten also auf die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Warum ist das so, warum handeln sonst vernünftige und kluge Menschen so unvernünftig, wenn es ums Abnehmen geht?
Die psychologische Attributionstheorie
Ein Erklärungsansatz sind die Ursachenzuschreibungen oder Attributionen. Die psychologische Attributionstheorie befasst sich nicht mit objektiven Gründen für Ereignisse, sondern mit dem, was Menschen glauben, was die Ursachen oder Gründe von Ereignissen sind.
Sie ist auch auf Erfolg und Misserfolg beim Abnehmen anwendbar. Sie dient zur Erklärung vergangener Ereignisse, aber auch dazu, vorherzusagen, wie jemand in der Zukunft handeln wird.
Anfangserfolge
Fast jedes Abnehmvorhaben beginnt mit einem Erfolg. Das Gewicht wird weniger, oft sogar sehr schnell. Diesen Erfolg kann man jetzt unterschiedlichen Ursachen zuschreiben.
Zum Beispiel kann man überzeugt sein, dass man deshalb erfolgreich ist, weil man hoch motiviert ist, sich sehr angestrengt hat, oder weil man so etwas eben besonders gut kann.
Man kann aber auch glauben, dass die gewählte Abnehmmethode besonders gut ist oder dass es an bestimmten Handlungen anderer Personen liegt.
Man kann auch glauben, dass man einfach Glück hat oder dass der Einfluss des Mondes oder sonstige magische Zusammenhänge ursächlich sind.
Wichtig ist vor allem die grundsätzliche Unterscheidung, ob man sich selbst als verantwortlich für den Erfolg ansieht, oder ob man äußere Ursachen wie andere Menschen oder Glück als ursächlich ansieht. Man spricht von interner oder externer Attribuierung.
Misserfolge
Nach diesem Anfangserfolg verlaufen die Abnehmvorhaben unterschiedlich. Die Abnehmwilligen haben auch unterschiedliche Vorstellungen davon, was sie als Erfolg, was als Misserfolg ansehen.
Auch (vorübergehenden oder endgültigen) Misserfolgen werden natürlich Ursachen und Gründe zugeschrieben.
Man kann glauben, dass man sich nicht genug angestrengt hat, dass man eben sowieso ein Versager ist, dass die Abnehmmethode doch nicht gut ist, dass Andere einem Steine in den Weg gelegt haben oder dass man eben Pech gehabt hat oder die Sterne ungünstig standen. Auch hier kann man also extern oder intern attribuieren.
Für die Unterscheidung gilt die subjektive Einschätzung des Betroffenen. Zum Beispiel ist die Erklärung, dass ein verlangsamter Stoffwechsel schuld am Misserfolg ist, meistens eine externe Attribuierung, wenn die Betroffenen ihren Stoffwechsel als nicht beeinflussbar ansehen.
Menschen unterscheiden sich in ihrer Neigung, die Ursachen für Ereignisse egal welcher Art extern oder intern zu attribuieren.
Es gibt Menschen, die sehr häufig davon ausgehen, selbst schuld, oder selbst verantwortlich zu sein, egal was passiert. Sie überschätzen ihre Einflussmöglichkeiten.
Andere erleben sich selbst als Spielball äußerer Einflüsse, attribuieren also sehr häufig extern, auch wenn sie objektiv durchaus Einfluss auf Ereignisse hätten. Sie unterschätzen ihre Einflussmöglichkeiten.
Tatsächlich, objektiv ist der Erfolg oder Misserfolg beim Abnehmen von einem ganzen Konglomerat an äußeren und inneren Einflussfaktoren abhängig, die in komplizierter Weise ineinander wirken.
Es ist im Einzelfall kaum möglich, exakt anzugeben, was die Gründe für die jeweiligen Ergebnisse waren. Wenn es um die Frage geht, wie Menschen in der Zukunft handeln werden, sind die objektiven Gründe auch weniger wichtig als die Überzeugungen der Betroffenen.
Der fundamentale Attributionsfehler
Menschen haben natürlich auch eine Meinung über die Ursachen von Erfolg oder Misserfolg bei Anderen.
Sehr verbreitet ist dabei die Neigung, bei Anderen die Schuld an negativen Ereignissen in der Person, bei sich selbst aber in den Umständen zu sehen.
Wenn also jemand anders dick ist oder es nicht schafft abzunehmen, dann wird er häufig als schwach oder als Versager angesehen. Bei sich selbst macht man dagegen eher die Umstände oder andere Menschen verantwortlich, weist die Schuld also von sich.
Bei positiven Ereignissen ist es oft umgekehrt. Bei anderen glaubt man, dass es Glück war, bei sich selbst glaubt man, dass man mit seinen Fähigkeiten oder seiner Anstrengung das Ereignis herbeigeführt hat.
Selten wird berücksichtigt, dass die tatsächlichen, objektiven Ursachen fast immer sowohl in externen Ereignissen, als auch in eigenen Handlungen und im Zusammenwirken beider Einflussfaktoren zu sehen sind.
Allgemein wird diese Haltung als fundamentaler Attributionsfehler bezeichnet.
Der eigene Misserfolg beim Abnehmen wird also häufig auf externe Ursachen zurückgeführt. Der Anfangserfolg wird dagegen auf die eigenen Fähigkeiten, darauf, dass man alles richtig gemacht hat, attribuiert.
Wer diese Einstellung hat, ist überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Das führt natürlich dazu, dass Fehler nicht analysiert und entsprechend beim nächsten Mal wieder gemacht werden.
Selbstwertgefühl und Attribuierungsfehler
Es gibt aber auch die umgekehrte Disposition. Also Menschen, die bei eigenen Erfolgen häufig glauben, dass das Zufall war, dass sie also Glück gehabt haben, oder auch, dass Erfolge nur dann möglich sind, wenn Andere sie herbeiführen.
Bei eigenen Misserfolgen sehen sie sich dagegen als verantwortlich, also als Versager an.
Diese Disposition geht mit einem niedrigen Selbstwertgefühl einher und scheint unter Menschen, die zuviel wiegen oder meinen, zuviel zu wiegen, recht häufig zu sein.
Das Problem bei dieser Einstellung ist, dass man sich, wenn man seine Erfolge auf Glück oder Zufall zurückführt, natürlich nicht anstrengen wird.
Der Erfolg beim Abnehmen hat objektiv natürlich auch, wenn auch nicht nur, etwas mit Anstrengung, mit Bemühen zu tun. Wer sich nicht bemüht, weil er nur hofft, Glück zu haben, wird vermutlich nicht erfolgreich sein.
Wenn man den dann eintretenden Misserfolg auch noch intern attribuiert, also auf eigenes Versagen zurückführt, dann kommt schnell die Überzeugung heraus, dass man aus eigener Kraft nicht abnehmen kann, dass es sowieso keinen Zweck hat.
Menschen mit dieser Einstellung werden leicht das Opfer von Scharlatanen oder der Werbung für vermeintliche Wundermittel. Denn dass jemand anderes den Erfolg herbeiführen kann, das glauben sie.
Stabilität und Kontrollierbarkeit der Attribuierungen
Ursachenzuschreibungen werden nicht nur nach intern und extern, sondern auch nach stabil und veränderlich unterschieden.
Stabil sind die eigenen Fähigkeiten und die Schwierigkeit der Aufgabe, veränderlich sind die eigene Anstrengung und der Zufall, also Glück oder Pech.
Menschen unterscheiden sich ebenfalls darin, ob sie zur Erklärung von Erfolg und Misserfolg eher stabile oder eher variable Einflussfaktoren annehmen.
Stabile Einflussfaktoren muss man hinnehmen, kann aber auch mit ihnen rechnen. Variable Einflussfaktoren können sich schnell ändern, oder man kann sie schnell ändern.
Wer also glaubt, dass er nicht fähig ist, abzunehmen (stabil), der wird sich eher nicht bemühen (variabel), weil er glaubt, dass es sowieso keinen Zweck hat.
Auch wenn dann objektiv eher das mangelnde Bemühen ursächlich für den Misserfolg ist, ist der Betroffene doch davon überzeugt, nichts tun zu können.
Manche zugeschriebenen Ursachen können vom Individuum kontrolliert werden, andere nicht.
Wer die Ursachen für Erfolg und Misserfolg hauptsächlich in solchen Faktoren sieht, die nicht unter seiner eigenen Kontrolle stehen, wird auch in Zukunft eher wenig für seinen Erfolg tun.
Wer dagegen von seinen eigenen Einflussmöglichkeiten überzeugt ist, der wird sie auch nutzen.
Der nächste Abnehmversuch, diesmal erfolgreich!
Die Frage, wie der nächste Abnehmversuch aussehen wird und mit welcher Einstellung er angegangen wird, hängt entscheidend davon ab, was jemand glaubt, woran Erfolg und Misserfolg liegen.
Und das wiederum hängt nicht nur von den vergangenen Erfahrungen, sondern vor allem davon ab, wie diese Erfahrungen bewertet wurden, also auf welche Ursachen Erfolg oder Misserfolg zurückgeführt werden.
Es ist also entscheidend wichtig, sich seine vergangenen Abnehmerfolge und -misserfolge mal genauer zu betrachten, sich nicht nur auf den ersten Eindruck zu verlassen.
Wer seine eigenen, oft intuitiven Ursachenzuschreibungen mal infrage stellt, und stattdessen mal genauer hinsieht, was vielleicht noch (mit) eine Rolle gespielt haben könnte, der wird für die Zukunft etwas lernen können und vergangene Fehler in Zukunft vermeiden können.
Zum Beispiel ist es nicht wirklich zielführend, sich auf der Erklärung, dass man eben einen langsamen Stoffwechsel hat, auszuruhen.
Denn zum einen ist der Stoffwechsel nicht der einzige Einflussfaktor, man kann ihn mit anderen Dingen kompensieren. Zum anderen ist die Aktivität des Stoffwechsels auch keineswegs unveränderlich gegeben.
Man kann sie beeinflussen, zum Beispiel durch die Wahl der Abnehmmethode und durch die Geschwindigkeit, mit der man abnimmt. Wer auf diese Weise dazulernt, hat beim nächsten Mal bessere Erfolgsaussichten.
Wer dagegen ausgehend von der Überzeugung, dass er sowieso kein Glück hat, oder sowieso zu wenig Wille, Disziplin oder was auch immer hat, den Blick auf die Misserfolge möglichst vermeidet, der kann auch nichts aus ihnen lernen.
Auch nicht, dass die eigenen Attributionen, die das Selbst in ein so negatives Licht stellen, vielleicht gar nicht zutreffend sind.
Wer also den Mut aufbringt, bei eigenen Fehlern genau hinzusehen, hat die einmalige Chance, aus diesen Fehlern zu lernen und damit beim nächsten Mal erfolgreich(er) zu sein.
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