Die Waage - häufiges Wiegen macht nicht schlank
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6 Minuten
Astrid Kurbjuweit

Diäten sind heutzutage nicht mehr modern. Stattdessen nimmt man mit einer Ernährungsumstellung ab. Allerdings sind, wie bereits andernorts festgestellt, die Erfolge in den meisten Fällen auch nicht größer. Das liegt in vielen Fällen daran, dass das, was die Diäten zum Scheitern brachte, jetzt in die sogenannten Ernährungsumstellungen übernommen wird. Der Glaube, man müsste etwas Extremes leisten, um abzunehmen. Man müsste sich kasteien, quälen, heroisch den inneren Schweinehund in die Knie zwingen, um abzunehmen. Der Glaube, es müsste wehtun, damit es funktioniert.

Da wird versucht, 100 Kilo in einem Jahr abzunehmen, da wird sich täglich oder sogar mehrmals täglich gewogen, da werden Kohlenhydrate als Feinde betrachtet, da wird als erstes mal kräftig übertrieben und sich dann gewundert, da wird nach 18 Uhr oder besser noch, ab 16 Uhr nichts mehr oder zumindest keine Kohlenhydrate mehr gegessen, da werden extreme, vielleicht sogar brutale, Ernährungsformen gewählt oder versucht, sich minutiös an mehr oder weniger professionelle Ernährungspläne zu halten, da wird sich im Fernsehen oder jedenfalls in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht, und noch vieles mehr. Gemeinsam ist allen diesen Aktionen, dass da der Kampf angesagt wird, vor allem dem eigenen Körper, aber auch anderen, die das gleiche Ziel haben. Man möchte mehr, besser, erfolgreicher abnehmen als andere.

Vor allem jedoch möchte man so schnell wie möglich die überflüssigen Kilos loswerden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden vor allem extreme Maßnahmen, solche die wehtun, solche die sich möglichst stark von den bisherigen Gewohnheiten oder auch von den Gewohnheiten anderer Menschen unterscheiden, als zielführend angesehen. Wenn es so richtig wehtut, so richtig einschränkt, dann muss es gut sein. Immerhin hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass nicht alles realistisch ist, was denkbar erscheint. Aber an die Zukunft, an die Frage, wie man das neue Gewicht nach der Abnahme halten, oder auch nur, wie man den manchmal weiten Weg bis zum Wunschgewicht durchhalten kann, wird bei den ganzen Aktionen nicht gedacht. Das wird sich dann schon irgendwie finden, denkt man sich so. Da werden Maßnahmen wiederholt gewählt, mit der Begründung, damit hätte man schonmal erfolgreich abgenommen. Fehlende Nachhaltigkeit wird also nicht als Nachteil, sondern sogar als Vorteil der Methoden betrachtet, als ob man garnicht dauerhaft schlank werden möchte.

Leider ist dieser Gedanke, es radikal, extrem zu machen, nicht zielführend. Mit den ganzen extremen Maßnahmen kann man zwar tatsächlich ein paar, oder je nach Ausgangslage auch ein paar mehr Kilos abnehmen. Aber dann wird man, wie viele andere vorher auch schon, feststellen, dass es so nicht weitergeht, dass man in eine Sackgasse geraten ist. Im Sprinttempo steht niemand einen Marathon durch, da muss man von Anfang an etwas langsamer loslaufen, wenn man ankommen möchte. Das gilt auch fürs Abnehmen. Am Anfang fühlt es sich vielleicht gut an, wenn es wehtut. Später tut es einfach nur noch weh. Wer dann nur nicht mehr weiterkommt, hat Glück gehabt. Viele, wenn nicht die meisten, nehmen an dieser Stelle wieder zu. Die wenigen, die es schaffen, mit extremen Methoden ihr Wunschgewicht zu erreichen und zu halten, die machen aus ihrem Abnehmprojekt ein Lebensthema, die kreisen ihr Leben lang um dieses Thema, ohne irgendwann loslassen zu können. Die meisten wollen das nicht, die meisten wollen das Thema irgendwie hinter sich bringen. Paradoxerweise kreisen sie genau deshalb immer wieder um dieses Thema, um das Abnehmen.

Das Extreme bringt ja immer das gute Gefühl, etwas zu tun, sich wirklich zu bemühen, wirklich aktiv zu sein. Das ist durchaus wichtig, da vielen ihr Gewicht als Schicksal, als etwas, was außerhalb der eigenen Kontrolle steht, erscheint. Jetzt die Kontrolle in die Hand nehmen zu wollen, ist verständlich und auch durchaus eine gute Idee. Aber man sollte sie dann auch tatsächlich selbst in die Hand nehmen und nicht, aus Mangel an Selbstvertrauen, einer wie auch immer gearteten Abnehmmethode überlassen, die sich jemand anders ausgedacht hat, die vielleicht tatsächlich für jemand anderen perfekt ist, es deshalb aber noch lange nicht für einen selber sein muss.

Extremer Sport

Eine häufig gewählte Variante ist der extreme Sport. Sport verbraucht Kalorien, also verbraucht mehr Sport auch mehr Kalorien, ist die Logik dahinter. Nicht bedacht wird, dass nicht der Sport die Kalorien verbraucht, sondern der Sportler. Und der muss erstmal fit sein, um das tun zu können. Sportliche Fitness ist genau das, die Fähigkeit, viele Kalorien zu verbrauchen. Wer gerade anfängt, kann das eben genau (noch) nicht.

Wer trotzdem so tut, als könnte er, der wird nach relativ kurzer Zeit in eine sehr unangenehme Situation kommen. Erschöpfung, Schmerzen, Frustration, und nicht nur keine Verbesserung, sondern sogar eine Verschlechterung der Fitness. Das Training wird zunehmen zu einer echten Quälerei. Hinzu kommt ein Effekt, der für die meisten unerwartet kommt: Das Gewicht steigt an. Diese Gewichtszunahme durch Sport ist zwar ein durchaus positiver Effekt, wirkt aber frustrierend, vor allem, wenn man seine Erfolge ausschließlich an der Waage abliest.

Der zielführende Weg, nämlich zunächst an der Verbesserung der eigenen Fitness, und damit an der Fähigkeit, viele Kalorien zu verbrauchen, zu arbeiten, ist weit weniger attraktiv, hat er doch nicht diesen offensichtlichen Effekt, dass man sich jetzt wirklich aktiv bemüht. Dabei ist es nicht erst langfristig, sondern schon recht bald, der bessere Weg. Wer langsam anfängt, wird schneller fit. Und kann dann, wenn die anderen noch an ihren Überlastungserscheinungen und Verletzungen laborieren, bereits richtig viele Kalorien mit Sport verbrauchen. Es braucht nur die Einsicht, dass man jetzt noch nicht so fit ist und den dazu passenden Trainingsplan.

Extreme Ernährung

Auch bei der Ernährung überwiegen die extremen Varianten. Da wird auf einzelne Nährstoffe (fast) komplett verzichtet, ganze Lebensmittelgruppen werden ignoriert, Speziallebensmitteln wird der Vorzug gegeben, Hauptsache teuer und schwer zu beschaffen. Wer so etwas tut, gibt sich jedenfalls Mühe, kann sich immer beweisen, dass er aktiv ist, sich engagiert und sein Ziel vor Augen hat.

Probleme werden im Allgemeinen zunächst ignoriert. Ein Problem ist der soziale Aspekt. Die meisten Menschen leben irgendwie mit anderen zusammen, auch die, die keine Familie haben. Wer nichts von dem isst, was andere selbstverständlich jeden Tag essen, hat tatsächlich ein Problem, auch wenn ihm das zunächst nicht klar ist. Ein anderes Problem sind die eigenen Gewohnheiten. Es dauert garnicht so lange, dann sind sie da, die Gelüste auf alles das, was jetzt verboten ist. Und sie werden stärker. Irgendwann kann man nicht mehr widerstehen. Besser als auf die Waage zu starren ist, sich Gedanken über diesen Fall zu machen, darüber, was man in der Situation tun möchte.

Weniger extrem, dafür dauerhaft

Leider ist es sehr viel schwerer, sich für weniger extreme, dafür länger durchhaltbare Maßnahmen zu begeistern. Denn Erfolg wird allzuoft nur an der Anzeige der Waage festgemacht. Jeder Gewichtsstillstand, der sich (leider) so oder so früher oder später einstellt, wird dann als persönliche Niederlage angesehen. Die die Motivation zum Weitermachen gründlich vernichtet. Wettbewerbe, sei es gegen andere oder „nur“ gegen die eigene Waage, führen zwar dazu, dass zunächst viel Gewicht verloren wird, schließlich will man es den anderen ja zeigen, sie verhindern aber die Gewöhnung an langfristig wirksame Maßnahmen. Denn wer will schon derjenige sein, der zunächst mal am wenigsten, oder sogar überhaupt nicht abnimmt? So wird der dauerhaften Perspektive kaum Beachtung geschenkt, mit dem Erfolg, dass das Abnehmen jedes Jahr wieder auf der Agenda steht.

Weniger extreme Ernährungsformen lassen sich zwar leichter durchhalten, bringen aber nicht sofort den durchschlagenden Erfolg. Und der langfristige Erfolg zeigt sich eben erst nach langer Zeit. Dann, wenn die anderen schon nicht mehr mitmachen, weil sie längst wieder zugenommen haben.

Wer tatsächlich langfristig abnehmen und sein Gewicht dann auf Dauer halten möchte, am besten sogar ohne ständig um dieses leidige Thema kreisen zu müssen, der muss umdenken. Weniger extrem, weg von dem Gedanken, dass es wehtun muss, weg von dem Gedanken, dass Erfolge nur an der Anzeige der Waage erkennbar sind.

Dauerhafter Erfolg beim Abnehmen

Langfristigen Erfolg bringt nur eine Änderung der Gewohnheiten. Fortschritte auf diesem Gebiet lassen sich nur mit Verzögerung auf der Waage ablesen. Es ist also eine gute Idee, die eigenen Erfolgskriterien zu erweitern.

Besser als Selbstkasteiung und eiserne Disziplin, besser als alles was wehtut, ist alles was guttut. Dieser Gedanke fällt vielen schwer, ist auf Dauer aber zielführend. Gesündere Ernährung verbessert das Wohlbefinden. Nicht zuviel und nicht zuwenig zu essen verbessert das Wohlbefinden. Die Lebensmittel und Gerichte zu essen, die einem wirklich schmecken, verbessert das Wohlbefinden. An die aktuelle Fitness angepasster Sport verbessert das Wohlbefinden (und die Fitness), undsoweiter. Wer sich wohlfühlt, braucht dann kein Frustessen mehr, das sonst so oft alle Erfolge zunichte macht. Wer sich wohlfühlt, braucht nicht den ganzen Tag ans Essen und daran, was er alles nicht essen darf, zu denken. Das entspannt und verbessert das Wohlbefinden weiter. Wer sich wohlfühlt, kann die Energie aufbringen, regelmäßig (nicht unmäßig) Sport zu machen, dadurch seine Fitness zu verbessern und nach garnicht so langer Zeit so fit zu sein, dass er das Abnehmen kaum noch verhindern kann. Dann wird auch aus dem inneren Schweinehund ein niedliches Schoßhündchen.

Wer sich wohlfühlt, entwickelt ein Gespür dafür, wieviel und welche Nahrung ihm guttut. Dazu braucht es aber den Grundgedanken, dass das zielführend ist, was guttut. Nicht das, was am meisten wehtut.

Hinzu kommt ein Effekt, der für dauerhaften Erfolg nicht missachtet werden sollte. Man kann nicht sein Gewicht ändern und sonst nichts. Dauerhafter Erfolg geht mit einer Änderung des gesamten Lebens einher. Wer sich darauf einlässt, wer ab jetzt dafür sorgt, dass es ihm gutgeht, der wird auf Dauer schlank werden. Und alle die hinter sich lassen, die sich heute noch quälen.

Zur neunten Folge des Abnehmkurses: Hindernisse beseitigen

8 Kommentare

  1. Komischer Bericht ohne die Leute zu kennen die das machen aber egal jeder hat seine Meinung 😉

  2. Was ist daran komisch? Würde mich wirklich interessieren. Wer die Leute sind, kann ich natürlich nicht schreiben. Ich betreue seit sieben Jahren Abnehmwillige in Kursen, die möchten natürlich nicht hier genannt werden.

  3. Ich kann nur für mich sprechen und sie schreiben über mich

    Da wird versucht, 100 Kilo in einem Jahr abzunehmen, da wird sich täglich oder sogar mehrmals täglich gewogen

    Ich stehe jeden Tag einmal auf der Waage, was ist daran so verwerflich ? Und auch andere Sachen werden so reiserisch geschrieben das macht man nicht wenn man seriös sein will…

    Extrem und schnell muss nicht falsch sein wenn man dafür geeignet ist aber das weiß man auch wenn man sich damit befassen würde. Es gibt genügend gegen Beispiele !

    Naja egal…

  4. Nee, das ist nicht egal, das ist wichtig. Ich hab einfach schon hunderte Leute gesehen, die sich mit sowas fertig gemacht haben, die alles geworden sind, aber nicht schlank.

    Es ist natürlich nicht verwerflich, sich zu wiegen, egal wie oft, es ist nur nicht hilfreich. Die täglichen Schwankungen an Wassergehalt, Darminhalt, undsoweiter verdecken einfach die wichtigen Daten, nämlich die Veränderung des Körpergewichtes, genauer des Körperfettes. Das kann man bei täglichem Wiegen einfach nicht sehen. Daher verursacht das Wiegen nur Stress, hilft aber nicht weiter.

    Wenn die Waage mal einen Tag mehr anzeigt, bedeutet das ja nicht, dass man irgendetwas falsch gemacht hat. Genauso heißt es erstmal noch nichts, wenn die Waage weniger anzeigt. Man kann das also lassen und sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern.

  5. Die Frage, den Wunsch nach dem „schnell abnehmen“ darf man doch hinterfragen, und die Erfahrungen, dass das „zu schnell“ sich rächen kann, gibt es nun mal.
    Dass es auch Ausnahmen gibt, rechtfertigt die Annahme, man sei selbst ganz außerodentlich, ja nicht unbedingt – oder nur in Ausnahmefällen.

  6. Und ich kenne genug Leute auch ich selber den das Geld von sogenannten Experten aus der Tasche gezogen wurde. Wie man sieht gibt es auf beiden Seiten die Ausnahmen. Das wichtigste ist das man sich wohl fühlt. Ich fühle mich wohl wenn ich jeden Tag einmal auf die Waage steige und ich denke jeder entscheidet doch selber was die wichtigen Dinge sind. Wo bitte steht geschrieben das man Stress hat wenn man sich täglich wiegt ? oO, mir geht es nämlich gut dabei.

    Waren sie schon mal übergewichtig in ihren Leben ? Wenn nicht dann wissen sie wohl nicht wirklich wie sich solche Menschen fühlen denn da helfen auch keine Gespräche und noch so gut gemeinte Ratschläge. Ich kenne sie nicht und ich will sie auch nicht verurteilen aber mir hat der doch reiserische Artikel nicht gefallen.

  7. Der Artikel soll auch nicht gefallen, sondern auf ein Problem aufmerksam machen. Natürlich gefällt das nicht jedem. Es tut mir leid, wenn Sie sich darüber ärgern.

    Und der kostenlose Abnehmkurs zieht niemandem das Geld aus der Tasche, oder?

  8. Es ging mir speziell um den Artikel, das sie was kostenloses anbieten ist sicher toll aber das habe ich mir nicht durch gelesen. Was mich wundert ist wieso sie kein Foto von ihnen zeigen, ich finde das wirkt dann seriöser wenn man weiß mit wem man es zu tun hat. Würde bei über mich recht gut dazu passen.

    Gruß aus Zell am See

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Beitragsbild: Andrey_Popov/Shutterstock