Abnehmen: Der Weg zum Ziel kann schwer sein
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6 Minuten
Astrid Kurbjuweit

Es ist eine gute Idee, das Abnehmvorhaben mit einer Standortbestimmung und einer Definition der Abnehmziele zu beginnen. Am Anfang werden die Ziele naturgemäß etwas unscharf und ungenau sein. Nach einiger Zeit, die man mit Abnehmen und vor allem mit dem Nachdenken über die eigenen Möglichkeiten, Gewohnheiten und Verhaltensweisen verbracht hat, wird es möglich, die Ziele etwas genauer anzugeben. Weil man erst nach einiger Zeit einschätzen kann, was überhaupt möglich ist, was man sich selbst zutrauen kann, was realistisch ist und auch, was man eigentlich für welches Ziel tun muss.

Denn manche Ziele sind natürlich einfacher zu erreichen als andere. Manche Ziele erledigt man quasi mit links, während andere bei realistischer Betrachtung unerreichbar sind, es also überhaupt nicht lohnt, sie anzustreben. Daneben gibt es noch Ziele, für deren Erreichung man andere Mittel anwenden muss, schließlich ist Abnehmen kein Allheilmittel. Die Einordnung ist dabei von Mensch zu Mensch verschieden, es hängt von den Ausgangsbedingungen, aber auch von den eigenen Interessen und Wünschen ab. In jedem Fall ist es sehr sinnvoll und empfehlenswert, sich von Zeit zu Zeit ernsthafte Gedanken über seine Ziele und Möglichkeiten zu machen, statt einfach nur stumpf auf der Abnehmgaleere zu rudern.

Mit dem Kopf durch die Wand

Viele Abnehmvorhaben beginnen mit einer Zielsetzung, die bei Außen stehenden genau diesen Eindruck erweckt: Da will jemand mit dem Kopf durch die Wand. Während diejenigen, die sich für extrem ambitionierte Abnehmziele entscheiden, sich im Moment natürlich großartig fühlen, reagieren Freunde und Bekannte mit Skepsis. Das ist dann schon mal der erste Dämpfer.

Leider kann man davon ausgehen, dass im Laufe der Zeit noch mehr solche Dämpfer folgen werden. Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem auch der ambitionierteste Extrem-Abnehmer hinschmeißt und aufgibt. Man sollte wirklich vermeiden, in diese Situation zu kommen. Hinschmeißen macht nichts besser. Aus seinen Fehlern zu lernen, das ist die Lösung. Aus eigenen, selbst gemachten Fehlern lernt man bekanntlich am meisten, man sollte also wirklich nicht gerade dann aufgeben, wenn man sich in der optimalen Lernsituation befindet.

Realistische Ziele

Aber woran kann man erkennen, ob das eigene Ziel realistisch ist, beziehungsweise, wie findet man ein realistisches Ziel?

In ganz vielen Fällen erkennt man das realistische Ziel ganz einfach daran, dass es eine Nummer kleiner ist. Manchmal auch zwei oder drei Nummern. Es ist wichtig, zwischen Träumen und Wünschen auf der einen Seite, und erreichbaren Zielen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Sobald ein Ziel erreicht ist, steht es einem ja frei, sich ein neues zu setzen, aber erstmal ein eher kleines Ziel anzustreben, das ist realistisch.

Für die Frage, ob ein Ziel realistisch ist, sollte man sich auch überlegen, ob Abnehmen überhaupt der richtige Weg zum Ziel ist. Die Anzeige der Waage ist kein Selbstzweck, meistens verbindet man mit den Zahlen ja irgendwelche darüber hinaus gehenden Vorstellungen. Wer sich diese Vorstellungen klar macht, der hat die realistischeren Ziele, weil man einfach anhand dieser Vorstellungen besser entscheiden kann, ob wirklich Abnehmen, also Gewichtsreduktion, der beste Weg zum Ziel ist.

Realistische Ziele zeichnen sich auch dadurch aus, dass man es selber in der Hand hat, ob man sie erreichen kann oder nicht. Das Ziel, jede Woche eine bestimmte Menge Gewicht zu verlieren, hat diese Eigenschaft nicht. Der Körper trennt sich unregelmäßig und unvorhersagbar von seinem Fett, seinem Gewicht. Manchmal gibt es wochenlang Gewichtsstillstand, es kann sogar Monate andauern. Besser ist, sich solche Ziele zu setzen, die man selbst beeinflussen kann. Ob man das Ziel, ab jetzt jede Woche zum Sport zu gehen, erreicht oder nicht, hängt vom eigenen Verhalten ab, nicht vom Zufall oder anderen Unwägbarkeiten. Dieses Ziel ist also viel realistischer als das, in einer bestimmten Zeit eine bestimmte Menge Gewicht zu verlieren. Dasselbe gilt für das Ziel, ab jetzt jeden Tag regelmäßig drei Mahlzeiten zu essen, ohne sich zu überfressen. Das hat man selber in der Hand, ob man das tut oder nicht.

Dauerhafte Verhaltensänderung für die dauerhaft schlanke Linie

Die meisten Abnehmziele beeinhalten, dass man schlank werden und es vor allem auf Dauer bleiben möchte. Wenn sich auf Dauer etwas ändern soll, dann erreicht man das nur, wenn man auch dauerhaft etwas anders macht als vorher. Jede vorübergehende Maßnahme zieht vorübergehende Effekte nach sich. Das Ziel einer dauerhaften Verhaltensänderung wird allerdings nur von wenigen wirklich ernsthaft angestrebt, was einer der Gründe für die häufigen Misserfolge beim Abnehmen ist. Es lohnt sich, über diesen Punkt nachzudenken.

Eigeninitiative

Es gibt viele Gründe, wie es zu Übergewicht kommen kann. Die Schuld einfach und ausschließlich bei sich selbst zu suchen, greift meistens zu kurz. Trotzdem gibt es in jedem Fall nur einen einzigen Menschen, der einen wieder schlank machen kann, und das ist man selber. Egal, wer schuld ist. Man muss also selbst etwas tun. Das Ziel, schlank zu sein, wird nicht durch Abwarten erreicht. Abnehmen ist etwas, was als Folge eigener Aktivität passiert. Wer sich diese Aktivität, sei es sportlicher Art, sei es durch bewusstes Einkaufen und Kochen, sei es durch kritisches Hinterfragen der eigenen Verhaltensmuster, als Ziel setzt, der hat gute Erfolgsaussichten.

Abnehmen als Ersatzhandlung

Abnehmen ist kein Selbstzweck, sondern wird immer mit anderen Zielen und Wünschen verknüpft sein. Fitter sein, besser aussehen, in normale oder auch ganz bestimmte Kleidergrößen passen, sportlich sein, einen sportlichen Körper haben, bewundert werden, den Alltag einfacher bewältigen können, das alles und noch viel mehr sind mögliche Implikationen, die mit dem Abnehmziel verknüpft sein können. Nicht alles ist sinnvoll, nicht alles lässt sich über das Abnehmen erreichen.

Wer zum Beispiel unsportlich ist, der wird nicht davon sportlicher, dass er weniger wiegt. Fehlende Muskulatur kann nicht durch noch weniger Gewicht ausgeglichen werden. Wer also unzufrieden mit seiner Körperhaltung, mit kleinen Speckröllchen oder ähnlichem ist, der ist oft mit der Aufnahme einer sportlichen Aktivität besser bedient als mit Abnehmen.

Wer mit seiner Figur unzufrieden ist, der sollte bedenken, dass durch Abnehmen nur das Körperfett reduziert werden kann, der Knochenbau aber unverändert bleiben wird. Ein breites Becken bleibt breit, kurze Beine werden kurz bleiben. Wer wie die meisten ein Durchschnittsgesicht hat, der wird kaum durch Abnehmen zur strahlenden, bewunderten Schönheit mutieren. Wer einen normalen Körperbau hat, der wird im Erwachsenenalter nicht mehr in Kindergrößen passen. Wer erwachsen ist, wird kaum noch eine Figur erhalten können, wie sie Kinder haben. Das endet mit der Pubertät.

Wer mit sich selbst unzufrieden ist, sich hässlich oder unattraktiv findet, der wird das durch Abnehmen kaum ändern können. Wenn das Fett weg ist, lassen sich immer noch reihenweise Gründe finden, mit sich selbst unzufrieden zu sein. Der Mensch besteht auch nicht nur aus seinem Aussehen. Es gibt also eine ganze Menge Probleme, die sich durch Abnehmen nicht lösen lassen.

Abnehmen hat auch Nachteile

Wer abnehmen möchte, verbindet damit in der Regel positiv definierte Ziele. Man sollte bedenken, dass Abnehmen auch Nachteile haben kann. Insbesondere, wenn man bereits ein Gewicht im Normalbereich hat, kann Abnehmen unter Umständen gravierende Nachteile mit sich bringen. Untergewicht und Unterernährung können bis zum Tod führen, während Übergewicht in vielen Fällen zwar die Wahrscheinlichkeit gesundheitlicher Beschwerden erhöht, aber in der Regel nicht tödlich ist. Zudem mehren sich die Hinweise, dass leichtes Übergewicht die Lebenserwartung erhöht, nicht senkt. Das gilt umso mehr, je älter man ist.

Die meisten Abnehmwilligen streben ein sehr niedriges Körpergewicht an. Das entspricht zwar dem herrschenden Schönheitsideal, ist aber nicht unbedingt gesund. Zudem ist es umso schwieriger, das neue Gewicht auch dauerhaft zu halten, je niedriger es ist. Ein sehr niedriges Gewicht kann also unter Umständen nur mit lebenslangem Stress, lebenslangem Kreisen um das Thema Abnehmen erkauft werden. Relative Stressfreiheit, ein Gewichthalten ohne Mühe gelingt dagegen meistens nur bei einem Gewicht im gesunden Normalbereich, was nicht dem Schönheitsideal entspricht. Dieses Gewicht kann man sich nur sehr bedingt aussuchen. Der Körper entscheidet.

Man kann also nicht alles haben. Stressfreies Gewichthalten nach der Abnehmphase, gesundes Körpergewicht und gleichzeitig noch dem Schönheitsideal entsprechen, das geht nicht. Man muss sich entscheiden.

Wer von starkem Übergewicht aus sehr viel abnimmt, wird hinterher mit Sicherheit schlanker sein, sich beweglicher fühlen, gesundheitlich und an Wohlbefinden gewinnen, sich aber unter Umständen immer noch nicht ins Schwimmbad trauen. Je mehr man abnimmt und je älter man ist, umso eher muss man damit rechnen, dass überschüssige Haut bleibt. Das sieht nicht schön aus. Das kann auch ernste Probleme geben, wenn sich die Hautlappen reiben und entzünden. Wenn man Glück hat, bezahlt die Krankenkasse eine Operation, bis dahin muss man Mieder tragen, auch und vor allem im Sommer. Durch langsames Abnehmen kann man die Bildung der Hautlappen vermindern, die Rückbildung der Haut verbessern. Aber ganz verhindern kann man das Problem nicht, wenn man wirklich viel abnehmen möchte. Es ist das kleinere Übel, verglichen mit starkem Übergewicht, aber es ist von übel.

Motivierende Abnehmziele

Wer abnehmen und auf Dauer schlank bleiben möchte, tut gut daran, sich solche Ziele zu setzen, die tatsächlich motivierend wirken. Denn nur wenn man wirklich motiviert ist, wird man auf Dauer dabeibleiben, sich immer wieder engagieren. Befragt, warum sie abnehmen möchten, fällt vielen nur ein, dass sie endlich wieder shoppen gehen möchten, endlich wieder normal Kleidung kaufen möchten. Meistens reicht dieses Ziel nicht aus, um die Motivation über Monate, vielleicht Jahre aufrecht zu erhalten.

Besser ist, sich klarzumachen, dass mit sinkendem Gewicht die Lebensqualität steigt, dass Aktivitäten möglich werden, von denen man bisher noch gar nicht zu träumen gewagt hatte, dass man über eine Energie verfügen wird, die man sich zur Zeit garnicht vorstellen kann.

Besser ist, sich klarzumachen, was sich durch Abnehmen ändert und was nicht. Man wird kein anderer Mensch, aber vieles wird einfacher. Jedenfalls dann, wenn man vorher übergewichtig ist.

Wer gar nicht übergewichtig ist, der tut gut daran, sich die tatsächliche Ursache seiner Unzufriedenheit klarzumachen und das dann zu ändern. Denn ständiges Unzufriedensein mit sich selbst wird nicht besser, wenn man an Sachen dreht, die in Ordnung sind, und dabei die tatsächlichen Probleme übersieht.

Zur dreizehnten Folge des Abnehmkurses: Umgang mit Stress

5 Kommentare

  1. Ich glaube, dass viele Diäten an unrealistischen Zielen scheitern. Besser ist es, sich kleine Ziele zu stecken und wenn man diese erreicht hat, dann neue zu definieren.
    LG
    Sabienes

  2. Erschütternd, ich erkenne mich wieder (wie auch in vielen simpel und treffend formulierten Gedanken- und Gefühlsverdrehungen der anderen Folgen)!
    Bin jetzt 53 geworden und glaube irgendwie immer noch, ich könnte mein „richtiges“ Leben aufschieben, bis ich irgendwann schlank bin und alles viel besser wird! Das ist weniger ein bewußter Gedanke als vielmehr ein irrationales Gefühl, das beim Verdrängen der zementierten jahrelangen Lebensunzufriedenheit helfen soll. Als könnte ich irgendwann ganz von vorne anfangen und dann alles richtig machen, was natürlich Quatsch ist, denn ich werde wohl nicht faltenfrei und gesund 130 Jahre alt.
    Inzwischen lebe ich schon mehr Jahre im „Übergang“ als für das „Paradies“ noch übrig sind! Das große Ziel war irgendwie immer viel zu groß und wurde mit jedem Kilo Zunahme unerreichbarer! Kleine Ziele wären besser gewesen, haben mich aber auch schon gleich zu Anfang nicht so motiviert.
    All das und vieles mehr im Kopf zu wissen und die reale Umsetzung trotzdem nicht zu schaffen ist Frustration pur. Hätte ich schon vor Jahren meinem Leben in vielerlei Hinsicht
    eine Wendung gegeben, wäre ich vielleicht zufriedener und gar nicht frust-übergewichtig geworden, hätte gut leben und vieles erleben können mit all meinen Fehlern und Mängeln, was ich jetzt gar nicht mehr nachholen kann.

    LG
    Petra

    • Nachholen geht nicht, aber ab jetzt besser machen, das geht. Schlanksein ist nicht das Wichtigste im Leben, es ist nur eins von vielen Dingen. Sich um das Wichtigste zuerst zu kümmern macht den Kopf frei, um das Leben zu genießen. Das geht auch dann, wenn man (noch) zuviel wiegt.

    • Liebe Petra,

      Du schreibst mir von der Seele!!!!

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